
Edward W. Saids letztes großes kritisches Werk, On Late Style, widmet sich der Idee vom künstlerischen Spätwerk und der intellektuellen Reife. Said arbeitete an diesem Buch, als er am 25. September 2003 verstarb, kurz nach seiner Teilnahme an einem Workshop mit dem West-Eastern Divan Orchestra in Sevilla. Fünfzehn Jahre später ehrt die Barenboim-Said Akademie den Literaturwissenschaftler nun mit einem literarisch-musikalischen Festival im Pierre-Boulez-Saal, das On Late Style als Ausgangspunkt nimmt. Mit dabei: Der späte Beethoven, der späte Bach (arrangiert von Anton Webern) und der Autor Teju Cole. Wir liefern hier die passende Hintergrundlektüre.
Karlheinz Essl
Der Komponist Karlheinz Essl verbindet im Interview gleich zwei Protagonisten des Festivals: Beethoven, dessen op. 130, 131 und 132 an jeweils einem Abend gespielt werden, und Webern, von dem eine Bach-Bearbeitung zu hören sein wird: »Webern war sehr interessant, weil er eine äußerst visionäre Musik geschrieben hat zu seiner Zeit, völlig jenseits dessen, was damals common sense war. Erstaunlicherweise bezieht sich Webern in seinen extremen Experimenten immer wieder auf Beethoven. Und darin liegt das Besondere für die heutige Zeit: dass Beethoven einerseits Kitsch-Stücke wie Für Elise schreibt, und dann aber auch Sachen wie die 9. Sinfonie oder die Eroica, die zu einer Initialzündung geworden sind für ein ganz anderes, radikal neues Musikdenken, das die Oberflächenphänomene, die wir von Beethoven kennen, gar nicht mehr aufnimmt, sondern nur noch die Tiefenstrukturen erkennt und aus diesen neue Dinge herausdestilliert.«
Jan Caeyers
Jan Caeyers ist Autor der 800-seitigen Biografie Beethoven. Der einsame Revolutionär, die Ende 2012 auf deutsch erschien und auch hier für ihren Detailreichtum, die Leidenschaft und den Sachverstand ihres Autors gefeiert wird. Jan Caeyers ist aber nicht nur Schriftsteller und Wissenschaftler, sondern auch Dirigent, er gründete und führt das Beethoven-Orchester Le Concert Olympique. Mit VAN hat er darüber gesprochen, wie Beethovens Musik zu seinen Lebzeiten im Konzert erklungen ist (obwohl der Komponist seine op. 130, 131 und 132, die bei On Late Style gespielt werden, wegen seiner Taubheit nur noch im Kopf hören konnte).
Teju Cole
Die Arbeit von Teju Cole, einem amerikanischen Schriftsteller, Fotografen und Kritiker, ist durchsetzt von Verweisen auf die Künste, auf Literatur, Geschichte und auf die Musik. Bei On Late Style wirft der Autor in dem Vortrag »A Quartet for Edward Said« einen Blick auf die engen Verbindungen zwischen Persönlichem und Politischem in vier Städten, in denen ihm Said gedanklich begegnet ist: Ramallah, Beirut, New York und Berlin. Für VAN hat er mit Jeffrey Arlo Brown Philip Glass, Peter Maxwell Davies, George Benjamin, Robin Holloway, Brahms, Sibelius, Strauss und Trevor Wishart gehört.
Anton Webern
Nichts ist fertig. Arno Lücker fragt Thomas Ahrend, der für das Projekt der Anton-Webern-Gesamtausgabe am Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Basel arbeitet, was es Neues gibt zu Anton Webern, dessen Bearbeitung der Fuga / Ricercata von Bachs Musikalischem Opfer bei On Late Style zu hören sein wird.