
2018 will das Festival für Zeitfragen kollektiv nachlauschen, -denken und -spüren, wie wir gefangen zwischen divergierenden und kollidierenden temporalen Kraftfeldern Zeit täglich erleben. Flexibilisierung, Fragmentierung, das Ausreizen der Aufnahme- und Leistungsfähigkeit; schrumpfende, gedehnte, verzerrte Zeithorizonte; der Schwindel der Schnelligkeit und Scheingeschwindigkeit; der Verlust des Anspruchs und Anrechts auf Zeit… Wir haben vier Artikel über Komponist_innen und Musiker_innen, deren Umgang mit Zeit und Zeitkunst bei MaerzMusik Fragen aufwirft, zusammengestellt.
Julius Eastman

Julius Eastmans Musik folgt, wie er es nannte, einem »organischen« Prinzip: Jeder neue Abschnitt eines Werkes enthält alle Informationen der vorangegangenen Abschnitte. Zirkularität und ewige Wiederkehr, aber nicht immer gleich, »Informationen (können) schrittweise und nach logischen Prozessen folgend ausgelassen werden« (Eastman). Diese Form der Zeitlichkeit findet sich zum Beispiel in Gay Guerilla, das in einer Version für 16 E-Gitarren Teil des MaerzMusik Openings am 16. März ist. Das Projekt We Have Delivered Ourselves from the Tonal – Of, towards, on, for Julius Eastman zieht Konzepte in Erwägung, die jenseits der westlichen Begriffe des Tonalen und der Harmonik angesiedelt sind, im Rahmen einer Ausstellung, in Performances, Talks und Konzerten. Sie zeichnen die Lebenszeit Eastmans nach und wie diese sich bis heute in kulturellen, politischen und spirituellen Kontexten manifestiert. In VAN schreibt David Menestres über die Kämpfe des Komponisten, der als Obdachloser gestorben ist und dessen funkelndes Talent gerade wiederentdeckt wird.
Brian Ferneyhough

Das Zeitgeist-Konzert am 17.März präsentiert aktuelle und aktualisierte Musik seit den 1950er Jahren, die mit der Gegenwart korrespondiert. Iannis Xenakis bezieht in einer Reihe von Arbeiten für Stimmen und Tonband Stellung gegen Faschismus und Krieg. Ashley Fure ringt in Shiver Lung mit der beseelten Vitalität von Materie und dem immer lauter werdenden Grundrauschen umweltbezogener Ängste um uns herum. Brian Ferneyhoughs Time and Motion Studies erfassen den Zustand des modernen Menschen-Performers, der, umgeben von einem überwältigenden Maß an Reizen und Anforderungen, dem Diktat der Zeitknappheit und Effizienz unterworfen ist. Mit VAN sprach der Komponist über das Redigieren von Musik, die Versprachlichung des inneren Dialogs und den fake-Twitter-Account im eigenen Namen.
Sonar Quartett

Am 23. März erforschen Ashley Fure und das Sonar Quartett den kinetischen Ursprung des Klangs. In Anima, das sich auf das vitale Verhalten roher akustischer Materie konzentriert, wird durch mobile Transducer oder Wandler der Streichquartett-Klang gewissermaßen vergrößert. Das Sonar Quartett hat sich der akustischen Vermessung musikalischer Räume verschrieben. In VAN zeigen die vier, welches musikalische Gepäck sie auf ihre Expeditionen mitnehmen.
Georges Aperghis

»A piece about the disappearances of our times, the people going missing right now …« Georges Aperghis’ migrants für zwei Stimmen und großes Ensemble bringt die unsäglichen menschlichen Tragödien zur Sprache, die sich täglich in Europa und an seinen befestigten Küsten abspielen. »Ich möchte nicht nur den ertrunkenen Körpern ein Gesicht geben, die an Europas Küsten angespült werden, sondern auch der großen Zahl der Lebenden, die ohne Identität durch Europa irren, ohne offiziell als lebendig anerkannt zu werden.« Mit Agata Zubel, Christina Daletska und dem Ensemble Resonanz am 22. März. In VAN spricht Aperghis über Psychoanalyse, die Arbeit bei zur Erschöpfung, Technik und Bewegung.