Ein gedrucktes Magazin gehört zum Marketing-Mix genau wie Theaterschminke und Filmblut zur Oper gehören. Aber machen Opernhäuser ihre Kundenzeitungen auch richtig? Neun aktuelle Publikationen in der Stilkritik mit Mike Meiré.

Magazin der Saison 2015/16, Oper Frankfurt

Gestaltung Opak
Gestaltung Opak

Mike Meiré: Über dem eigentlichen Cover liegt eine verkürzte Seite mit grünem Hintergrund, was mir auf den ersten Blick gut gefällt. Das Grün finde ich eher langweilig – wahrscheinlich steht es für den Frühling und soll eine gewisse ›saisonale Frische‹ symbolisieren. Die Frau mit dem roten Kleid passt zwar als Komplementär-Kontrast gut, aber die ebenfalls rote Klammer aus dem Logo geht total darin unter. Das funktioniert leider nicht.

Bei der klassischen Musik ist es so: Entweder man schafft es, wirklich Avantgarde zu sein, das heißt, man macht das Cover leer und schreibt nur ein Wort drauf. Oder man geht in die Vollen und schafft Opulenz mit Gefühlen. Das hier ist weder Fisch noch Fleisch.

Blättern wir mal um – für den Überraschungseffekt. Das ist ja … (lacht) – muss ich das jetzt sagen? Da ist ein Rätsel auf dem Rücken der verkürzten Seite! Warum ist da ein Rätsel? Das ist schon hart. Genau an diesem Punkt zerreißt es die meisten in der Klassik: Auf der einen Seite der gespreizte Etepetete-Finger der Hochkultur und gleichzeitig ein Fragespiel aus einer schlechten Wochenbeilage hinten drauf. Schnell weiter zum Inhalt!

Die Aufmachung hat etwas sehr veganes – das Magazin könnte auch aus der Lebensmittelbranche stammen. Das finde ich aber gut. Die Optik wird aufgeräumter, die Typografie ist sauber und das artifiziell verfremdete Bild im Vollformat wäre garantiert das bessere Cover gewesen. Toller Weißraum – es kommt sofort etwas architektonisches rein. Vielleicht braucht Musik einen ganz bewussten architektonischen Kontext.

Die folgenden Seiten sind sauber und klassisch: Man lässt den Content Content sein. Das dient dem Lesefluss. Was positiv auffällt, ist die sehr bewusste Orientierung in Richtung eines modernen Layout-Verständnisses. Insgesamt ist das Magazin auf einem guten Weg, aber noch lange nicht da, wo es sein könnte. Und das ist – wie überall in der Kommunikation – keine Frage des Budgets und der Mittel, sondern vielmehr eine Frage der mentalen Entscheidung, wohin die Reise gehen soll.

VAN: Denken die Auftraggeber zu sehr an ihre Zielgruppe, als den Gestaltern zu vertrauen und sie einfach machen zu lassen?

Es gibt heutzutage keine homogene Zielgruppe mehr und es weiß auch keiner, wie oft und von wem so ein Heft in die Hand genommen wird. Auf der Marketing-Seite besteht immer die Angst, die vorhandene, lange herangewachsene Zielgruppe mit Spielzeit-Abo zu verlieren. Entweder stirbt man mit der Stammkundschaft aus, weil man es allen recht machen will – und so zwangsläufig in der Mittelmäßigkeit landet – oder man zieht eine tolle, schöne, brutale, hochästhetische, goldene Klassik durch, verfremdet ein paar Bilder mit Effekten, baut verschiedene Papier-Sorten ein und kreiert somit ein super Statement. Das macht aber keiner, weil entweder die falschen Gestalter am Werk sind oder das Team keine gemeinsame Sprache spricht.

Semper! Magazin, Semperoper Dresden

Gestaltung Fons Hickmann M23, Bjoern Wolf, Raúl Kokott
Gestaltung Fons Hickmann M23, Bjoern Wolf, Raúl Kokott

Das ist schon ein viel besseres Cover. Ein interessantes Bild in einem seltsamen Kontext: Was haben die zwei Personen, die einem wahrscheinlich gerade ein Bankdarlehen verkauft haben, in einem Kuhstall zu suchen? Interessant ist die Platzierung des Titels: zentriert, ausgespart, leicht lasierend und Siebdruck-artig. Die Info-Zeile darüber hat was von der Ulmer Schule – das fühlt sich wesentlich wertiger an.

Im Inhalt geht es gestalterisch sauber und ordentlich strukturiert weiter. Das erinnert ein wenig an das klassische Feuilleton. Mit Illustrationen geht man bewusster um – wobei das heutzutage auch alles sehr gelernt ist. Hier und da hätte man bestimmt ein ansprechenderes Wording finden können. Die dokumentarischen Fotografien gefallen mir gut. Sie verlieren sich nicht im Layout und etablieren sich im Verlauf des Heftes als Struktur-Elemente. Hier und da hätte man die Starrheit des Rasters etwas aufbrechen können. Man bewegt sich schon ziemlich im »Links-/Rechts-Modus«.

Im Gegensatz zu dem Magazin aus Frankfurt gefällt mir hier die Rätsel-Seite sehr gut. Die Illustrationen sind toll kuratiert: Da ist vom ›Windows-Piktogramm-Shit‹ bis hin zur Kupferdruck-Ästhetik alles dabei – Hauptsache keine ›Blockflöten-Gesichter‹. Insgesamt ist das gestalterisch auf der Höhe der Zeit.

Opernzeitung 02–04/2016, Oper Köln

Gestaltung mdsCreative
Gestaltung mdsCreative

Anderes Format, anderes Papier – das mag ich sehr. Beim Zeitungspapier stellt sich nur die Frage, ob man sparen muss oder auffallen will. Die Schrift mag ich sehr, weil sie modern daher kommt und von der Anmutung schon fast in Richtung einer Anzeige geht – im positiven Sinne.

Der Inhalt erinnert sehr an TV Spielfilm. Man könnte auch denken, es handelt sich um eine Fußballspiel-Ankündigung. Das ist immer kurz vor Tatort-Trailer und nicht auf der Höhe der Zeit. Insgesamt sieht das eher nach einem Konzert-Kalender als einem Magazin aus. Aber nach wie vor mag ich diese dicke Schrift.  

Auch hier finden wir wieder ein Rätsel. Anscheinend ist das wirklich die Zielgruppe – die überlegt ab 16 Uhr, wie sie den Rest des Tages totschlagen kann bevor sie abends in die Oper geht. Zusammengefasst: nach dem Titel eher enttäuschend.

DREIKLANG #12 – »Anderssein«, Oper Leipzig

Gestaltung formdusche
Gestaltung formdusche

Die Rückseite ist toll: Eine leere Seite. No Coding, eine Zeile Text ›Ihre Oper Leipzig‹ – super! Das Cover hat auf den ersten Blick nicht unbedingt etwas mit Oper zu tun. Das Bild ist toll, aber diese vielen Elemente darauf verwässern das total: ein Kudelmuddel aus Formen und Informationsgedöns. Man hätte einfach das Bild in Ruhe lassen und stattdessen die Ecke größer ziehen sollen, um dort alle Informationen zu platzieren. Da merkt man wieder, dass die Klassik zwischen Tradition und Gegenwart zerrissen ist – genau da muss man ansetzen.

Im Inhalt wird es offener und moderner. Tolle Bilder, insgesamt sauber gestaltet. Im Verlauf des Magazins verändert sich nicht viel, ist nur alles unterschiedlich temperiert. Den Gelbton finde ich auf Dauer etwas müde – Pop it up!

Die Bildwelten haben oft nichts mehr mit dem Design zu tun. Total austauschbar. Das finde ich nicht ehrlich. Man muss eine Haltung definieren und nicht gegen die Oper arbeiten, sondern in sie hinein horchen. Man muss überlegen, wo die Schnittstelle zur Gegenwart ist und wie man das transportiert bekommt. Ich mag nicht, wenn man später sagt Entschuldigung, da musste halt dieses Foto rein – wir wissen ja selbst, dass es ein Scheiß-Foto ist. Das finde ich nicht fair. Das ist so, als würde man ein Architektur-Magazin gestalten, in dem man so tut, als ginge es gar nicht um Architektur. Wenn man weiß, dass man semi-gutes Bildmaterial bekommt, dann muss man diesen Bild-Kosmos richtig kuratieren – das macht aber keiner. Man könnte die Bilder gegen beliebige Getty-Business-Images austauschen, auf denen ein Geschäftsmann mit Computer an einem Glastisch sitzt. Es würde trotzdem funktionieren. So hat man seinen Job nicht getan.

Auch typografisch wird immer gleich gearbeitet: Warum tut man so, als sei alles Corporate Design? Warum kann man nicht jeden Inhalt entsprechend des Inhalts gestalten? Zehn verschiedene Gestaltungen im Heft, wenn man zehn verschiedene Opern anbietet! Das wäre so viel cooler. Man versucht hier, diese seltsamen und befremdlichen Fotografien im Layout seriös aussehen zu lassen, anstatt zu erkennen, dass es viel spannender wäre, diese Bildwelten auf Doppelseiten zu zelebrieren – auf unterschiedlichen Papieren zum Beispiel. Daran merkt man, dass die Gestalter versuchen, ein modernes Kommunikationsdesign zu etablieren und dabei sträflichst den eigentlichen Inhalt, den es zu gestalten gibt, vernachlässigen. Hier muss man wirklich sagen weg vom Corporate Design! – lasst euch bitte auf die Geschichten ein.

MAG 37, Opernhaus Zürich

Gestaltung Carole Bolli, Florian Streit
Gestaltung Carole Bolli, Florian Streit

Das ist ästhetisch mit Abstand das Souveränste bisher. Nur der Handschuh auf dem Cover verrät, dass es sich hier um Oper handelt. Es geht alles wunderbar zusammen: Papier, Temperatur, Qualität – super souverän. Und diese neue Typografie passt perfekt in die heutige Zeit.

Im Inhalt geht es gleich gut weiter. Die machen nicht den ganzen Grafik-Design-Schnickschnack, den die Leipziger fahren. Die Anzeigen sind furchtbar – eigentlich müsste man sagen Wir verkaufen euch nur Farbseiten und da dürft ihr dann nur euer Logo und euer Programm drauf schreiben. Sonst nichts! Grausam – das macht alles kaputt. Dafür sind die Illustrationen toll. Die könnten nur ruhig etwas größer sein, denn das war sicher viel Arbeit.

Blättern wir weiter durchs Heft. Seiten 28/29: Fantastisch! Warum? Der Name reißt es raus. Ich lese ›Corinna Harfouch‹, und direkt habe ich Bilder von dieser absolut faszinierenden Charakterdarstellerin im Kopf. Danach wäre eine Doppelseite nur mit Fotos von ihr genial. Seiten 44/45: Tolle Illustration! Das ist verwegen, mutig und führt zu einer eigenartigen Action.

Um ein modernes Magazin in dieser Opernkultur machen zu können – und das ist fast schon ein Lösungsansatz – muss man von Anfang an überlegen, wer der richtige Fotograf für die jeweilige Oper ist. Diese Bilder hier sind ganz schlecht. Da habe ich das Gefühl, dass sind Szenen von ›Jesus-Kreuzigungs-Oster-Festivals‹ im Hinterland. Das ist so eine Ästhetik, bei der es mich schüttelt.

Oper findet 20 Meter vom Publikum entfernt statt. Deswegen schreien die Darsteller auch mehr, als sie eigentlich müssten – und weil die Mimik überzogen sein muss. Wenn man davon Nahaufnahmen macht, sieht das sehr grotesk aus. Wir reden hier von King Arthur: Wenn man davon ausgeht, dass auf der Bühne gerade Krieg gespielt wird, warum lässt man das nicht von einem Kriegsfotografen dokumentieren? Oder wenn man – wie hier – Fotos mit Greenscreen Optik hat, warum holt man dann keinen Fotografen, der eine eigenartige Post-Internet-Ästhetik fährt? Wie toll könnte das denn sein? Langsam bekomme ich richtig Lust darauf, ein Opern-Magazin zu machen …

»Mir geht es als Gestalter nur um eine Message: Ästhetik für Substanz. Man muss in der Lage sein, zu abstrahieren: Geht es um Drama, geht es um Sex? Geht es um Krieg, geht es um Melancholie? Mit solchen Inhalten fängt man an zu überlegen: welche Typografie trifft das Klima der Inszenierung? Welche Musik läuft da? Welcher Fotograf wäre der Richtige? Im Grunde genommen verstehen die Macher dieser Magazine ihre Branche nicht. Das finde ich verwerflich.« Mike Meiré

Theatermagazin März 2016, Nationaltheater Mannheim

Gestaltung Michael J.Böhm
Gestaltung Michael J.Böhm

Wieder ein Magazin als Zeitung. Wenn man auf ein Zeitungspapier geht – das weiß ich durch das Redesign der NZZ – muss man wissen, dass dieses Papier uns Leser in der Geschichte  konditioniert hat. Entweder man zitiert das Feuilleton mit klassischer Schrift, die ein Gefühl von Überzeitlich- und Nachhaltigkeit unterstreicht oder – wenn es so daherkommt wie das vorliegende – dann ist das eine Kampfansage und wirkt wie eine politisch ambitionierte Zeitung.

Irgendwann enden solche Publikationen dann leider in traurigen Theken-Displays, wo sie ein ebenso trauriges Dasein führen, bevor sie irgendwann runterfallen und anschließend entsorgt werden.

Journal, Staatsoper Hamburg

Gestaltung Annedore Cordes
Gestaltung Annedore Cordes

Die Hamburger haben seit jeher eine Kaufmanns-Kultur, wo alles immer ein bisschen nach Lufthansa aussehen muss: Wir kennen teuer – ja, das können wir! Der Titel ganz klassisch Journal. Natürlich hochwertig und hochglänzend produziert. Vielleicht liegt das an der Welt, in der wir leben: Institutionen müssen Fundraising betreiben und auf dem Schreibtisch der Manager und Entscheider muss das Heft auch gut aussehen …

Die Typografie ist gut, jedoch könnte in der Unterzeile auch genau so gut ›Das Journal der Hamburger Schiffsinnung‹ stehen – würde keinem auffallen. Insgesamt ordentlich und sauber. Ich habe aber das Gefühl, dass diese Zeiten vorbei sind. Das lesen Leute im dunkelblauen Zweireiher mit goldenen Knöpfen – das interessiert mich nicht.

»Oper, so wie ich sie mir vorstelle und mitnehme, bedeutet große Gefühle. Dieses Design, was ich bis jetzt wahrnehme, ist sehr technisch – als ob hier Autos verkauft werden. Mir ist das alles zu überambitioniert. Zu viel Grafik Design. Zu viel Premium. Zu viel Hochkultur. Ich hätte hier lieber mehr Eleganz, Unaufgeregtheit, Punk!« Mike Meiré

Das Magazin Nr. 17, Badisches Staatstheater Karlsruhe

Gestaltung Danica Schlosser
Gestaltung Danica Schlosser

Ja, wir sind progressiv unterwegs. Es gibt wirklich eine Tendenz: Entweder man macht einen auf Corporate und Seriosität und wirkt damit eigenartig gestrig oder man versucht sich progressiv – hier wohlgemerkt versucht progressiv – aber es sieht am Ende dann doch oft aus wie gewollt und nicht gekonnt …

Das ist ja interessant: Als Leser weiß ich gerade nicht, wo ich mich befinde. Ist das eine Anzeige? Ist das Inhalt? Total undefiniert. Mir ist auch das grafische Muster im Hintergrund zu nervös. Und bei einem dreizeiligen Text in Großbuchstaben könnte man mal überlegen, ob eine gemischte Schreibweise nicht dem Lesefluss dienlich wäre. Die Bilder wiederum sind ganz nett.

Eigentlich bekommen wir hier eine tolle Inszenierung zu sehen – eigentlich. Hallo, kann sich irgendjemand von den Gestaltern dieser Branche vielleicht einfach mal mit den Bildern, also dem Inhalt, auseinandersetzen? Das sind doch tolle Projektionsmomente. Fast wie in der Videokunst. Warum spielt man das nicht groß aus?

Schwierig, diese Seite. Ich bin ja schon ein Menschenfreund, aber irgendwie habe ich hier das Gefühl, dass ich nicht zwingend mit diesen Menschen den Abend verbringen möchte. Ich will ja niemanden was – aber das ist wirklich abenteuerlich provinziell.

VAN: Ich bemerke bei Magazinen und Büchern oft eine Qualitätsschere zwischen Cover und Inhalt. Inwiefern muss das Cover ein Versprechen auf den Inhalt sein? Oder anders gefragt: Muss sich die gestalterische Qualität des Covers im Inhalt wiederfinden?

Idealerweise ist das Cover die Verpackung für den Inhalt. Daher ist es wichtig, dass es vom Informationsgehalt nicht überladen ist. Entweder man entscheidet sich für eine textliche Programmatik: Dann braucht es einen Texter, der in der Lage ist, das spannend zu lösen. Oder man glaubt an die Qualität der Fotografie oder die Kraft der Illustration und versucht zu akzeptieren, dass der Fotograf oder die Illustratorin ähnlich clever und gebildet sind wie die Schreiberlinge – dann kann man starke Bilder schaffen.

Ein Cover unterliegt einer anderen Bewertung wie der Inhalt: In der Ökonomie der Aufmerksamkeit muss es wie ein Vorschaubild funktionieren. Es ist ein Poster – eigentlich eine Werbekampagne. Man muss versuchen, sehr reduziert in der Botschaft zu sein: 1 Schwerpunktthema oder 1 Emotion.

Oper ist nach wie vor der wochenendliche Ausflug in ein Paralleluniversum: In ein Spiel voller großer Gesten und großer Gefühle. Und diese Gefühle müssen auf dem Cover transportiert werden. Das wird es aber in den meisten Fällen leider nicht: Selten gute Fotografie, selten souveräne Typografie, sehr oft Versachlichung. Dann bleibe ich lieber freitagabends bei HBO hängen und schaue mir meine Serien an. Man hat nur diesen einen Freitag oder diesen einen Samstag. Gehe ich dann für 30 Euro in die Oper oder lieber mit einer Tüte Popcorn ins 3D-Spektaktel – da zahle ich auch 30 Euro. Was macht mich davon mehr an? Genau das ist die Frage und genau das ist doch der Wettbewerb. In unserer Zeit will man kein Bildungsbürgertum mit dem Appell Du musst dich doch mal bilden! Fakt ist aber: die Institutionen müssen verkaufen. Und genau deshalb muss das Cover überzeugen und begeistern. Wenn es das nicht tut – dann lass es!

Magazin Saison 15/16, Deutsche Oper Berlin

Kampagne Stan Hema · Gestaltung Jens Schittenhelm
Kampagne Stan Hema · Gestaltung Jens Schittenhelm

Das mag ich! Das ist anders! Hier merkt man direkt, dass die eine andere Gangart und Temperatur drauf haben. Der anbahnende Krawall mit der Polizei – das ist großes Theater. Wahrscheinlich ist das Bild sogar real. Das ist die Oper von heute. Ich mag es, weil es stilsicher ist.

Tolle Doppelseite: Der kleine Versatz ist super, die Bilder sind toll und endlich passt auch das Wording mal – sogar in Frageform. Alles sehr modern. »Abenteuer Mozart« – man muss eine Sprache haben, eine Tonalität.

Das Heft hat eine ganz andere Dringlichkeit und spielt auch mal in der Variation. Perfekt. Auf den ersten Blick hat das nichts mehr mit Oper zu tun, holt einen aber immer wieder rein. Bis jetzt das progressivste und modernste Design. Das finde ich am besten von allen.

Hier geht die Bild- und Ästhetik-Ebene zusammen. Das ist stimmig. Entscheidend ist, dass man als Gestalter kontextbezogen gestaltet. Die Themen und die Bildauswahl haben eine andere Wahrhaftigkeit – das hat Aktualität. Und wenn etwas aktuell ist, dann muss es auch aktuell gestaltet sein. Immer in seiner Zeit agierend. Die Geschichten der Oper sind aus der Vergangenheit, aber die Themen, die behandelt werden sind zeitlos.

VAN: Wie würde dein Briefing für ein gutes Opern-Magazin aussehen?

Mein Appell an die Branche? Versteht euch als Enabler und als Plattform! Gebt den Gestaltern einen Freibrief, damit sie sich jeder Geschichte individuell widmen können. Versucht mit unterschiedlichen Fotografen die unterschiedlichen kulturellen Erlebnisse zu dokumentieren.

Man ist noch zu oft auf der Theaterschminke-Ebene, die es natürlich braucht, damit Theater funktioniert. Die braucht es jedoch nicht auf dem Bild. Ich will diese Form von Authentizität nicht. Ich will auf der Bühne Herzschmerz, Selbstmord und die Kasteiung des Schauspielers erleben. Dafür brauche ich allerdings eine ästhetische Übersetzung für das Layout, die stilsicher realisiert werden muss. Und sobald die Qualität stimmt, nimmt man sowohl ein älteres sowie jüngeres Publikum mit, weil man sie wieder für die Oper begeistern kann.

Das ist wie in vielen Lebensbereichen: Man hat Angst und ist unentschlossen. Dadurch verliert man sich in der Mittelmäßigkeit. Und die ist oft das Ergebnis einer unentschlossenen Redaktion. Punkt. ¶


Foto Albrecht Fuchs
Foto Albrecht Fuchs

Mike Meiré

… 1964 geboren, arbeitet und lebt in Köln. 1987 gründete er zusammen mit seinem Bruder Marc die Agentur Meiré und Meiré und 2001 die Kulturproduktion NEO NOTO.
Als routinierter Grenzgänger zwischen den Disziplinen wechselt Mike Meiré kontinuierlich zwischen den Positionen des Brand und Art Directors, des Designers, des Kurators und Künstlers. 2006 wurde er erstmals im Rahmen der Lead Awards als Visual Leader ausgezeichnet. 2015 ernannte der Deutsche Design Club (DDC) ihn zum Ehrenmitglied und zeichnete ihn für sein Lebenswerk aus.
Zu seinen wichtigsten Editorial-Design-Projekten zählen das mehrfach ausgezeichnete Wirtschaftsmagazin brand eins, das Architekturmagazin ARCH+, das Redesign der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ), das internationale Kulturmagazin 032c, die deutsche Ausgabe des Interview Magazines, das Fashion- und Lifestyle-Magazin kid’s wear, das italienische Männer-Lifestylemagazin GQ Italia sowie seit 2015 auch Kunstmagazin BLAU. Seit der ersten Ausgabe ist er zudem mit dem Editorial Design von GARAGE betraut, Dasha Zhukovas globalem Art und Fashion Magazine. Nicht zuletzt prägt er seit 2012 das Erscheinungsbild und Editorial Design der renommierten Wiederauflage der französischen Cahiers d’Art Magazine.

... arbeitet als freier Art-Direktor und Grafik-Designer in Köln. Er kuratiert Ton, Text und Bild für verschiedene Labels und Projekte und gibt Workshops im Spannungsfeld von klassischer Typografie, experimentellem Design und interaktivem Sound. Bei VAN kümmert er sich um Pixel, Codes und Kreatives. alex@van-verlag.com