Protokoll Hartmut Welscher
Puccinis Oper Tosca gehört weltweit aktuell zu den fünf meistaufgeführten Opern, wäre aber beinahe von einem anderen vertont worden. Der Stoff, der um 1900 kursierte, spielt vor einem historischen Hintergrund: der Besetzung Roms und anderer Teile Italiens durch Anhänger der französchen Revolution um 1800. Es geht um Verstecke, Verrat und Verzweiflung.
Zur Kultur klassischer Musik gehört auch deren visuelle Kommunikation. Wir trafen den Grafik-Designer Mirko Borsche in München. Gemeinsam griffen wir aus den unzähligen Ankündigungs-Plakaten der letzten 100 Jahre einige heraus und baten ihn um eine spontane Stellungnahme.
Plakat zur Uraufführung
Adolfo Hohenstein (1899)
„Stark, das ist schon ganz toll, oder? Also auf die Frage: ‚Muss es eine neue Ästhetik für die klassische Musik geben?‘ würde ich ja antworten: ‚Nicht da, wo die alte Ästhetik exzellent gemacht ist ‘. Das Problem ist aber, dass die Ästhetik in der klassischen Musik heute immer so etwas von einem esoterischen Volkshochschulkurs hat. Ich glaube, da ist das Problem versteckt. Aber wenn das so aussehen kann, wäre man ja unglaublich glücklich, so Jugendstil, Art Déco …“
Opera Lyra Ottawa
McMillan Ottawa, Kanada (2012)
„Das ist ganz schlimm. Hat eher was von einer Operette, oder Cats, Bram Stoker’s Dracula, Splattermovie, oder ‚Tosca – das neue Computerspiel‘. Oder einen schlechten Kriminalroman, mit Sex und Eifersucht. Und dass man das Ende der Oper schon verrät, ist natürlich schade. Wir finden, man sollte nicht zu viel Storytelling in einem Poster abbilden. Zumal es ja auch oft sehr komplexe Geschichten sind. Man will doch den Leuten nicht vorher schon die Illusion und Phantasie rauben. Und was ich grundsätzlich auch schwierig finde ist, einen Stil vorzugeben, der in dem Stück selbst schon drin ist. Deswegen gucken wir eigentlich, dass wir die Ästhetik des Opernhauses vermitteln und sich die Leute ansonsten überraschen lassen sollen, wenn sie in die Oper gehen. Und im Idealfall bringt das Plakat dich zum Nachdenken und zum Grübeln.“
Pasinger Fabrik
Büro Kunst oder Reklame München (2012)
„Das ist halt wahnsinnig schade, weil es eins zu eins die Arbeit von Gilbert & George kopiert. Da versucht man dann modern zu sein, indem man das halt zu der Zeit für klassische Musik übernimmt … ach so, das ist auch noch neu! Oh Gott, das ist dann natürlich traurig. Es ist einfach eine totale Kopie. Und dann will man mit aller Gewalt Modernität reinbringen, mit MGs … und die Geige steht dann für klassische Musik. Fürchterlich. Manchmal kommen Studenten zu mir, die etwas entwerfen wollen, was ‚total schräg‘ ist und daher vermeintlich ‚unerwartet‘, weil es man es nicht mit der Musik verbindet, und dann sage ich immer: ‚Ja, aber wenn du die Musik anhörst, ist es überhaupt nicht unerwartet, und du wirst erschrecken, aber es wird immer noch komponiert! Die sind nicht vor zweihundert Jahren alle gestorben, und es gibt auch elektronische klassische Musik‘. ‚Ach echt, dann muss ich mich wohl mal reinhören‘. Und dann sag ich ‚Ja, weil ansonsten bringst du dann den Nike Turnschuh aufs Plakat und die Wiener Philharmoniker, und da drüber steht dann ‚This is a classic and this is a classic too‘. Man wird der Musik damit einfach nicht gerecht. “
Cincinatti Opera
Rafał Olbiński (2000)
„Das mag ich irgendwie, das hat was. Bis in die 80er hätte ich das zumindest noch zugelassen, auch wenn es ein bisschen brav ist und sehr viel bildungsbürgerliche Metaphorik drin hat, mit der Farbpalette und so. Aber irgendwie nicht schlecht und vieles richtig gemacht; man sieht sofort, dass es von einem polnischen Künstler ist. Die Plakatkunst dort war bis in die späten 1990er hinein zu 80 Prozent von Künstlern geprägt. Und die hatten komplette Freiheit und konnten ihre Plakate gestalten wie sie wollten. Oder wie heißt diese russische Künstlergemeinschaft nochmal? Ostengruppe. Nicht alles einwandfrei, aber unglaublich befreit, expressionistisch und wild.“
Opera of Puerto Rico
Y&R Puerto Rico (2002)
„Das ist mein Liebling. Das mag ich total gerne, das ist dann das Messer und Blut; und irgendwie steckt da auch noch eine Frau mit drin. Über die Typographie hätte man nochmal reden können, aber von der Idee her ist das Tip Top. Also das wäre dann auf Platz 2, hinter dem Originalplakat. Ich finde, ein Plakat muss zunächst mal auffallen, das ist, glaube ich, das wichtigste. Das wäre unser Grundansatz, dass es plakativ ist, dem Medium wörtlich gerecht wird. Und weil das Plakat und diese Art und Weise, etwas zu verkünden ja in unserem Beruf eine so alte Tradition haben, sollte es zumindest die Qualität haben, dass man es sich zu Hause aufhängen kann. Weil du eigentlich heute kein Plakat mehr brauchst. Meiner Ansicht nach kann es nur noch eine Ästhetik oder eine Idee vermitteln, aber eigentlich schaust du heute doch ins Internet oder versuchst die Informationen anderswo zu bekommen. Gottseidank haben wir hier bei unserem Auftraggeber (der Bayerischen Staatsoper) das Glück, dass der auch alles vom Plakat verbannen will, was hässlich sein könnte. Am Anfang standen da viel mehr Infos drauf – mittlerweile nur noch ganz klein der Chefdirigent, das Premierendatum, Logo und dann den Namen der Oper.“