Logos sind überall – sogar im Nirgendwo. Drehen Sie doch mal Ihren Kopf von links nach rechts, schauen Sie sich ein wenig um und zählen Sie die Logos, die um Sie herum schwirren. Wie viele haben Sie? Mehr als zehn? Mehr als zwanzig? Vielleicht sogar mehr als dreißig?
Für die aktuelle Stilkritik haben wir uns einen Ort vorgestellt, an dem es ausschließlich Logos von Klassik-Institutionen gibt, wenn wir den Kopf um 180 Grad drehen. 15 Logos von Ensembles, Labels, Häusern und Co. in der Stilkritik mit dem Kölner Designer Paul Steinmann.
Kölner Philharmonie
Hypnotisierend. Ich muss dabei immer an den Platz denken, der abgesperrt wird, wenn unten in der Philharmonie was los ist. Irgendwie erinnert mich das Logo auch an einen Sportschuh-Abdruck. Der hohe Linien-Kontrast zwischen Schrift und Zeichen ist sehr gut. Auch die Wiederholungen finde ich spannend.
Logos zu beurteilen ist immer so eine Sache, denn eigentlich erwachen sie erst zum Leben, wenn man sie in Benutzung sieht. Ein isoliertes Logo ist eigentlich wie ein aus dem Kontext gerissener O-Ton.
Ensemble Modern
Eine Art Handschrift – die handgemachte Komponente spielt ja in der Musik eine große Rolle. Wenn ich nur das Logo betrachte, habe ich erst mal gar keine Vorstellung, um welche Art von Musik es sich handelt. Auf den ersten Blick denke ich an Hip Hop. Die Schrift ist nicht modern. Aber die Mischung aus Groß- und Kleinschreibung und der monolithische Block drumherum geben dem Ganzen eine architektonische Strenge und einen modernen Touch.
Zürcher Kammerorchester
Ui – genau das erwartet man bei Klassik. Dagegen war das vorherige natürlich sehr modern. Das hier ist Old School. An sich wäre das Zeichen alleine gar nicht so schlecht. Aber in Verbindung mit der sehr traditionalistischen Schrift wirkt es altbacken. Man könnte hier mit einfachen Mitteln viel verbessern: Das Zeichen in schwarz und einen Tick größer, die Schrift darunter setzen, und schon wäre es deutlich besser.
Dass Symbole aus der Musiknotation zu einer typografischen Lösung geformt werden, finde ich super. Aber Farbe und Schriftwahl machen das ganze ziemlich spießig.
Was kann man beim Gestalten von Logos sonst noch falsch machen?
Oft werden Bezüge zu Dingen aufgenommen, die keiner versteht. Man entscheidet sich für Weinrot als Farbe, weil der Vorhang im eigenen Haus weinrot ist oder weil der Dirigent bei den Konzerten immer Socken in diesem Ton trägt. Das sind dann Pseudo-Argumente für Entscheidungen, die es eigentlich gar nicht braucht.
Neue Meister
Sehr ausgewogen und spannend. Hier werden die Initialen typografisch interpretiert und mit ganz einfachen Mitteln in eine dritte Dimension gebracht. Nicht zwingend richtig in der Darstellung und mit einem kleinen Bruch – aber das macht es spannend. In der Wiederholung der Bögen ist auch was musikalisches und sakrales drin: Ich sehe da ein Delay (einen Hall-/Echo-Effekt) oder sogar Orgelpfeifen. Insgesamt nicht schlecht – kräftig, zeitlos und modern.
Bamberger Symphoniker
Da ist wieder diese Unart, Sachen komplett klein zu schreiben. Das hat so was zurückgebliebenes. Hinzu kommt, dass der i-Punkt abgeschnitten ist, aber das y und das p unbearbeitet sind, weil man es sonst nicht mehr versteht. Auch das k ist abgeschnitten. Aber warum? Das sind alles so formalästhetische Entscheidungen, die ich nicht nachvollziehen kann.
An sich ist das Logo mit dem geschwungenen Signet von der Kraft her ausgewogen. Aber die Kleinschreibung ist irgendwie eine Verniedlichung, eine Beschneidung – wie in ein Korsett gepresst. Das führt dazu, dass es sich nicht frei anfühlt.
Die Bildmarke wirkt wie ein unfertiges, freigestelltes Rendering. Da ist auch wieder zu viel drin: das b, das s, die Schlitze im Korpus einer Geige – das sind einfach zu viele Referenzen.
Semperoper Dresden
Hier wird die ikonische Kraft des bekannten Gebäudes genutzt. Die gradlinige und trotzdem ein wenig schnörkelige Schrift steht mit einem guten Abstand selbstbewusst da. Finde ich gut. Der Platz zwischen Bild- und Wortmarke ist zwar groß, aber würde das enger zusammen rücken, würde es wie eine geschlossene Einheit aussehen. Insgesamt ist es mir aber ein wenig zu emotionslos und erinnert mich eher an ein Hotel.
Salzburger Festspiele
Kunst im Logo … Ist das eine sakrale Flagge? Oder was christliches? Oder sind die Farben von Österreich gemeint? Ganz alte Schule – Weinetikett-mäßig. Das stammt aus einer ganz anderen Zeit. Heute würde man so etwas garantiert nicht mehr machen.
Welche Eigenschaften muss ein Logo haben, damit es funktioniert?
Stabilität ist das Ding. Ein Logo steht immer neben anderen Elementen und muss mit den widrigsten Umständen klarkommen. Das darf nichts sein, was man hätscheln muss. Es muss wie ein Stempel sein, den man immer und überall auf die gleich Stelle machen kann, ohne dass er untergeht – komme was wolle.
Ein Logo konkurriert immer mit dem, was drumherum passiert. Es kann spielerisch sein, muss nicht immer zwingend was symbolträchtiges zeigen und darf auch einfach nur Haltung symbolisieren.
So lange es eine prägnante Außenform hat und einer Schwarz-Weiß-Reduzierung Bestand hält, ist es ein gutes Logo. Sobald man sich die Bedeutung durch ranzoomen mit der Lupe erschließen muss, hat es für mich seine Wirkung verfehlt.
Mahler Chamber Orchestra
Das finde ich gut. Hat was Generatives. Der Kreis symbolisiert das »O«, am inneren Radius verdichten sich die Linien, Saiten werden grafisch aufgegriffen. Das alles ergibt eine erkennbare große Form, die dennoch eine innere Struktur hat. Auch das Verhältnis zwischen Form und Schrift ist angemessen. Weil es einem bestimmten Prinzip folgt, ist das Logo dynamisch und orchestriert zugleich. Das ist eine gute Metapher.
Wie kommt man zu einem guten Logo?
Bei der Gestaltung von Logos geht es darum, ein System zu kreieren, das wie ein Werkzeugkasten für die verschiedensten Anwendungen funktioniert. Wenn das gelingt, kann ein gutes Logo entstehen.
Die eigentliche Aufgabe liegt darin, auf der abstrakten Ebene einen spannenden und aussagekräftigen Stellvertreter zu finden – einen Impuls. Das kann ein ganz einfacher Gedanke sein, der als Grundlage für alle weiteren Schritte dient. Vorausgesetzt man schafft es, ihm auf interessante Art und Weise Tiefe zu verleihen.
Ein sensationelles Beispiel dafür ist das Bergen International Festival (VAN berichtete vom diesjährigen Nachwuchsprogramm ›Crescendo‹). Die komplette Identität beruht auf einer kleinen Idee, die unendlich durchdekliniert ist. Dort ist nichts einfach stupide umgesetzt oder gedankenlos adaptiert, sondern jedes mal aufs neue gestaltet. Alles wurde generisch auf das Ursprünglichste dekodiert um daraus dann mit viel Erfindergeist neue Sachen entstehen zu lassen.
Präsentation der Bergen International Festival Identity
Die haben verstanden, dass es um Immersion geht – um ein Gefühl, das transportiert werden muss. Meiner Auffassung nach geht es beim Kommunikationsdesign ausschließlich um Gefühle, und je mehr Medien man bespielen kann, desto mehr Chancen hat man, Menschen zu packen, zu begeistern und zu berühren. Bei dem Beispiel aus Bergen kommt alles zusammen: grafische Wiedererkennbarkeit trifft auf Klang, und Makro-Ästhetik trifft auf Mikrotypografie. Es funktioniert grobmotorisch und feinmotorisch funktioniert es auch. Da steckt überall – und ich mag diesen Begriff eigentlich gar nicht – DNA drin.
Landestheater Linz
Was sind das für komische Zeichen über der Schrift? Greift das vielleicht Elemente des Gebäudes auf? Vielleicht sind es aber auch nur die Inititalen »L«, »T« und »L« – Landestheater Linz. Ehrlich gesagt wirkt das ziemlich zufällig. Vom Zusammenspiel zwischen Schrift und Zeichen funktioniert es zwar als Logo-Logo, ist aber insgesamt eher belanglos.
Harmonia Mundi
Toll, ein richtig geiles 90er-Logo. Wieder alles klein geschrieben und zudem noch mit einem komischen Farb-Klecks oben drüber. Total Old School. Vergangenheit pur. Genau so hat man das damals gemacht. Abgesehen davon ist es auch schlecht spationiert und daher sehr löchrig.
Hier schwingt das Briefing total mit: »Es muss was menschliches drin sein« … Man sieht direkt diese ganzen Diskussionen drum herum. Das sind vollendete Tatsachen. Da passiert nichts mehr. Absolute Endstation. Schnell weiter …
Elbphilharmonie Hamburg
Die kleinteiligen Bild-Motive im Logo funktionieren an dieser Stelle überhaupt nicht. So was kann man machen, aber bitte nicht hier. Warum lässt man das Logo nicht einfach Logo sein und überträgt die Bild-Idee auf andere Medien wie Broschüren oder die Webseite? So ist es nur eine unlautere Vermischung aus Inhalt und Marke, die jeden überfordert.
Ansonsten ist die geschwungene architektonische Form – die mich übrigens ein wenig an Batman erinnert – und die vereinfachte Spiegelung gar nicht mal so schlecht. Interessant wäre auch gewesen, nur die Typografie zu spiegeln. Vielleicht hätte dieser Ansatz schon gereicht. Aber hier wurden viel zu viele Ideen vereint. Dabei könnte es doch so einfach sein …
Gewandhaus Leipzig
Oh, Märchenstunde. Sieht ein bisschen nach Florian Silbereisen aus – nur in gut. Man kann sich jetzt natürlich über das Logo auslassen, aber wenn man es dann in in der Umsetzung sieht, funktioniert es vielleicht wieder. Handwerklich ist das durchaus gut gemacht – immerhin nicht in Zapfino gesetzt.
Das Logo hat was geerbtes. Man hätte das auch von einem Brooklyner Kaligraphen mit einem Lötkolben in einen Silberblock zeichnen lassen können. Die Idee ist für mich noch nicht zu Ende gedacht. Aber vielleicht ist es auch angemessen und genau richtig so, wie es ist.
Komische Oper Berlin
Ein Schönheitsfleck unten rechts und einen Regenschirm von oben – da hat man gleich die 20er-Jahre und Marry Poppins im Kopf. Irgendwie erinnert mich das aber auch an ein Straßenschild. Auch hier sind wieder mehrere Symbole in einem vereint, was die Sache nicht gerade markant macht. Formalästhetisch ist es nicht ausgewogen, und ich verstehe auch nicht wirklich, warum es so ist, wie es ist.
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen
Schon wieder ein Logo mit handgezeichneter Geste. Dazu eine ganz fiese Schrift mit unangenehmen Serifen und falschen Kapitälchen. Ein richtiger Fail. Der Horror. Bitte ganz schnell löschen. Das sollte die Deutsche Kammerphilharmonie am besten auch gleich machen. Herrlich – was soll man dazu noch sagen …
Theater Bielefeld
Total generisch und von den Verhältnissen her unausgewogen. Das Zeichen müsste viel größer sein, denn aktuell liest man eher »O-Theater«. Unschön ist auch immer wieder dieser Trick mit fetter und normaler Schrift in einer Zeile – inklusive Wortabstand dazwischen. Insgesamt steckt da eher was von Energieversorger oder Recyclinghof drin. Ein Theater mit Corporate-Haltung. Absolut generisch, völlig belanglos. Next please. ¶

Paul Steinmann
… studierte Kommunikationsdesign an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Er arbeitete unter anderem als Freelancer bei Karlssonwilker Inc. in New York und als Art Director bei der Kölner Agentur Meiré und Meiré. 2013 gründete er mit David Eckes das interdisziplinäre Designstudio David & Paul. Das Studio zählt unter anderem das Museum Ludwig, das Museum Folkwang, Red Bull und das Theaterhaus Jena zu seinen Auftraggebern. Lehraufträge, Workshops, Jurys und Vorträge führten Paul Steinmann unter anderem an die Hochschule Trier, die Köln International School of Design und zurück an die HfG Karlsruhe. Paul ist ADC-Young-Gun-X-Preisträger und Mitglied im Art Directors Club New York.