Datum 4.4.2018

Die Welt ist keine Scheibe. Aber lange Zeit konnte eine Scheibe für Musikliebhaber_innen die Welt sein. Dann kam das Streaming. Und jetzt? Wie hören wir in Zukunft Musik? Was passiert mit dem Musikfachhandel, den Labels, den Künstler_innen, dem Markt, der Macht, mit uns? Antworten liefern acht Artikel über das Schwimmen mit oder gegen den Strom.

Das Musikhaus Katholnigg hatte 170 Jahre auf dem Buckel, war eine Institution und feste Adresse für Musikliebhaber_innen und das Salzburger Festspiel-Publikum. Jetzt musste Astrid Rothauer, die letzte Besitzerin, Ende 2017 den Laden schließen. »2017 gab es nochmal einen Umsatzeinbruch von circa 15–20 % im Vergleich zum Vorjahr. Wenn diese Tendenz anhält, worauf soll man da warten als Händler? Dass wir von den Labels irgendwann über die Einstellung der CD-Produktion informiert werden?«

Streaming ist zuletzt immer wieder als die ultimative Lösung für die Musikindustrie bezeichnet worden. Brian Brandt sieht es genau umgekehrt. Für den Gründer von Mode Records, dem legendären Neue-Musik-Label aus New York, sind die Streaming-Angebote von Spotify & Co in ihrer derzeitigen Form das große Problem. Wie so viele Independent Labels kämpft er gegen die schleichende Entwertung von Musikaufnahmen, die die Existenzgrundlage einer ganzen Branche ernsthaft gefährdet.

Im Gespräch mit Harmut Welscher bricht der Pianist Kirill Gerstein unter anderem eine Lanze für kleine Labels und erklärt, warum er nicht jeden Marketing-Hype mitmacht.

Das Plattenlabel Odradek Records ist die Antithese zur Vermarktungs-Strategie der großen Namen. Die Künstler_innen für Veröffentlichungen werden in einem ausgeklügelten Prozess anonym ausgewählt, also ohne Blick auf Ruhm, Biografie oder Aussehen. Eine Utopie, oder nicht? Einige Fragen an den Gründer John Anderson, der in Italien das Aufnahmestudio für die Klassiksparte von Odradek betreibt.

Was zählt Substanz und künstlerische Autonomie bei der Deutschen Grammophon? Wie sieht die Zukunft der klassischen Musik beim ältesten Plattenlabel der Welt aus? Und: Wollen wir das überhaupt wissen? Oder spielt die Musik längst woanders?

Auch Antje Weithaas würde dem Geigen-Nachwuchs nicht zur Deutschen Grammophon raten. »Die verkaufen ein ›Bild‹ von einem Künstler. Ein gutes Label setzt sich aber mit dem Künstler hin und überlegt: Für welches Projekt brennst du? Das machen nur noch die Kleinen, die Großen müssen nach Verkaufszahlen gehen.« Ein Interview mit guten Ratschlägen in Sachen Labels und Vermarktung bei ein paar Gläsern kühlem Weißwein.

Noch mehr gute Ratschläge für Musiker_innen und Hörer_innen gibt’s von Brendan Finan. Über das Spotify-Bezahl-System (für Nischen-Musik: mies!) und andere Vermarktungsmöglichkeiten im Internet: »Professionelle Musiker/innen, die wissen, dass ihre Musik eine eher eingeschränkte Reichweite hat, sollten sorgfältig darüber nachdenken, ob diese auf einen Streaming-Service gehört. Das gleiche gilt für kleine Schallplattenlabels. Musik für fast nichts herzugeben, ist ein todsicherer Weg, nicht einmal davon leben zu können. Stattdessen könnten Musikschaffende mit dem weitermachen, was sie schon seit Jahrhunderten in der einen oder anderen Form getan haben: ihre Musik zu verkaufen

Alex Ross verzweifelt an Spotifys Such-Algorithmen (»Eine Aufnahme von Beethovens Neunter wird unter dem Namen des Soprans gelistet, Ľuba Orgonášová; ich musste noch einmal klicken und mir die daumengroße Reproduktion des Plattencovers ansehen, um den Namen des Dirigenten zu finden, John Eliot Gardiner.«) und wühlt sich mit uns durch seine sehr viel besser sortierte CD-Sammlung.