Manches in Musik offenbart sich erst durch die richtigen Interpret*innen. Marco Stroppa, Forscher, Komponist, Professor, mit fünf wegweisenden Beispielen.
Der Komponist, Forscher und Professor für Komposition an der Stuttgarter Musikhochschule ist in diesem Jahr in zwei Stockhausen-Programmen als Klangregisseur beim Berliner Musikfest dabei: Am 15. September mit Pierre-Laurent Aimard, Dirk Rothbrust und Benjamin Kobler in, unter anderem, Stockhausens Kontakte, am 17. September mit Aimard und Tamara Stefanovich in Stockhausens Mantra.
Nikolaus Harnoncourt / Claudio Monteverdi L’incoronazione di Poppea, Akt 1 »Signor, deh, non partire«
Claudio Monteverdi lebte in einer Zeit, in der sich die musikalische Sprache vom »alten Stil« der Renaissance-Polyphonie zum »neuen Stil« des Barock wandelte. Dank seines Genies schrieb er großartige Musik in beiden Stilrichtungen, von Madrigalen über Opern bis hin zu Oratorien. Harnoncourts Aufnahme seiner Opern enthüllt die innere Dramatik der Handlung, die Kraft und Sinnlichkeit der Figuren und die unvergessliche Schönheit dieser Musik. Außergewöhnlich.
Pierre Boulez / Igor Strawinsky Le sacre du printemps
Pierre Boulez schrieb eine exzellente Analyse des Sacre du printemps in seinem Buch »Boulez on Music Today« (1971). Sein Zugang zu Strawinsky war radikal modern: Er offenbarte verborgene rhythmische Strukturen, die dem Komponisten selbst womöglich unbekannt waren. Seine Aufnahme mit dem Cleveland Orchestra bringt sowohl den phänomenalen physikalischen Impuls dieser Strukturen als auch die magische Mischung der Klänge ans Licht, ist intelligent und sinnlich zugleich und verblüffend aufgenommen: Jedes Instrument wird an der richtigen Stelle platziert und die komplexe Orchesterarchitektur erscheint transparent.
Vanessa Benelli Mosell / Karlheinz Stockhausen Klavierstück XII (Examen von Donnerstag aus Licht) 3. Examen
Vanessa Benelli Mosell gehört zu einer Generation junger Interpret*innen, die bereits international Karriere machen und sowohl das klassische Repertoire wie auch neue Musik hervorragend beherrschen. In dieser Hinsicht setzt sie einen Weg fort, der unter anderem von Maurizio Pollini und Pierre-Laurent Aimard begonnen wurde. Die Verbindung von frühem Skrjabin und spätem Stockhausen deckt unerwartete Resonanzen zwischen diesen beiden außergewöhnlichen und kompromisslosen Komponisten auf.
Pierre-Laurent Aimard / Marco Stroppa Upon a Blade of Grass
Ich traf Pierre-Laurent Aimard zum ersten Mal 1986 in Boston. Es sollte eigentlich ein kurzes Treffen werden, am Ende verbrachten wir eine ganze Nacht, um über Musik zu reden! Als er Traiettoria im selben Jahr im Ircam in Paris zum ersten Mal aufführte, entdeckte ich unter seinen magischen Fingern eine völlig neue Klangwelt des Klaviers, unterstützt von einem erstaunlichen Geist, der in der Lage ist, die komplexesten technischen Passagen mit einer unübertroffenen Eleganz und Klarheit zu entwirren. Eine überzeugende Mischung aus den Farben des Klaviers und der Elektronik.
Stimmen der Welt / Stimme und Flöte aus Laos, Luang Prabang
Die 3 CDs »Voices of the world« sind seit einigen Jahren meine »bedside listening«: eine wunderbare Sammlung verschiedener Vokalausdrücke aus einer Vielzahl von mündlichen Überlieferungen aus aller Welt, die Teil der Sammlung des Pariser Musée de l’Homme waren. Seine großartige Zusammenstellung und die Schönheit und Originalität der Musik machen es zu einer ständigen Quelle der Inspiration für mich. ¶