Als es noch keine MP3-Player gab, war es immer die Qual der Wahl, welche CDs in den 12-fach-Wechsler kommen, damit man auf der langen Autofahrt eine adäquate Beschallung hat. Negative Nebeneffekte: Die Hüllen wurden im Kofferraum bis zur völligen Auflösung durchgeschüttelt und vorne am Autoradio sah man nur den CD-Text statt der Cover.
Damit die schönen (und manchmal nicht ganz so schönen) CD-Hüllen in Erinnerung bleiben, präsentieren wir in der Inlandsurlaubs-Mixtape-Edition der Stilkritik zwölf (mehr oder weniger) aktuelle Veröffentlichungen, deren Gestaltung hoffentlich im Kopf bleibt – sei es nun negativ oder positiv.
Goldmund Quartett – Travel Diaries
Berlin Classics • April 2020

Ein gutes Mixtape braucht ein Intro. Eine gute Stilkritik auch. Was läge hier näher, als das sprachliche Motiv der »Reise«? Nichts! Eben! Kommen Sie mit auf eine Reise in die Berge, lassen Sie sich fallen und von der guten Laune des Goldmund Quartetts anstecken – gepaart mit der frischen Luft, dem saftigen Grün der Wiese und der tollen Aussicht ist dieses Cover fast ein kleiner Urlaubstag …
Wohin sollen wir dieses Motiv stecken? Ist es gut? Ist es schlecht? Ist es dazwischen? Das ist mir egal! Die vier Herren sehen sympathisch, nett und lustig aus, das Setting macht Fernweh, die Farbe des Autos ist schön und obendrein wurden die Themen »Travel« und »Diary« – passend zum Oldtimer – grafisch mit einer Schreibmaschinenschrift illustriert.
Zusammengefasst: In der Peaktime ginge das Cover unter, aber als Intro »taugt’s mir« – wie man in den Bergen so schön sagt!
Erik Hall: Steve Reich – Music for 18 Musicians
Western Vinyl • Mai 2020

Das ist zwar kein Musik-Review hier, aber bei Steve Reich und so einem tollen Cover steige ich gerne etwas tiefer ein. Mein erster Gedanke beim Hören war: Krass, das ist ja Post-Rock. Hat mich direkt an Bands wie Battles oder Tortoise erinnert.
Aber zurück zum Design: Erinnert mich farblich und von der Formensprache her total an Art Nouveau, Konstruktivismus und Modernismus. Das musikalische Motiv des Pattern und der flexiblen, variablen Wiederholung wird in der Komposition der geometrischen Formen schön aufgegriffen. Stünde jedes Element für einen bestimmten Ton und jede Farbe für ein bestimmtes Instrument, könnte man dieses Cover sicherlich auch spielen. Toll! Konzeptionell macht mich das total an – und nicht zuletzt auch grafisch. Typografisch keine Rocket Science, aber eine gut gewählte und gut platzierte Schriftart, die sich nahtlos in den Rest einfügt.
Überhaupt ist das Werk des Illustrators Aaron Lowell Denton ziemlich beeindruckend. Es nimmt einen mit auf eine grafische Reise (da ist sie wieder, die Reise) durch das visuelle Amerika der 70er, 80er und 90er Jahre.
Zusammengefasst: Das »Hall x Reich«-Cover treibt die Messlatte (und den Grafiker:innen Puls) schon mal ein bisschen mehr in Richtung Peaktime.
Sheku Kanneh-Mason – Elgar
Decca • Januar 2020

Offen gestanden, kann ich hier gar nicht sagen, warum mir dieses Cover sofort ins Auge sticht. Vielleicht liegt es an der Geometrie? Immerhin bilden das Cello und der Bogen einen fast perfekten rechten Winkel, der in einem ebenfalls fast perfekten 45-Grad-Winkel auf dem Cover platziert ist. Oder liegt es an den Farben? Oder an der erwartungsvollen Pose, die einen baldigen Beginn der Performance verspricht (geneigte Leser:innen erhoffen sich vielleicht sogar einen kleinen »Royal Wedding Backflash«)? Alles in allem vermute ich einfach mal, dass sich hier jemand vor dem Fotoshooting Gedanken um alles gemacht hat. Und so soll es ja auch sein.
Leider bleibt mir die Schrift nicht lange im Kopf, weil sie nicht besonders spannend ist. Im direkten Vergleich zu einer Arial oder Helvetica hat sie zwar einen eigenen Charakter – aber eher von der Sorte »Allerwelts«. Da helfen auch die angedeuteten Serifen beim »I« oder die außergewöhnlichen Punzen beim »A« nicht viel.
Man hätte in der Wahl der Platzierung etwas mehr Hirnschmalz reinstecken können und die typografische Hierarchie ist nicht konsequent durchgezogen: »ELGAR« steht auf dem Cover wie bestellt und nicht abgeholt und »SHEKU« macht den Anschein des Titels, obwohl es eigentlich der Vorname des Interpreten ist. Ich verstehe auch nicht, warum die rechte Kante des Schriftblocks nicht an die rechte Kante des Decca Logos ausgerichtet ist. Vielleicht weil es dann unsymmetrisch ausgesehen hätte?
Zusammengefasst: Wir wollen man nicht so streng sein. In diesem Fall wiegt für mich die positive Ausstrahlung des Herrn Kanneh-Mason höher als mein strenges Wort in Sachen Schrift.
Hille Perl, Andreas Arend, Veronika Skuplik, Clare Wilkinson – Ballads within a Dream
DHM • Mai 2020

»What should I say?!« Ich komme ja vom Land. Da kommen die ersten Sonnenstrahlen meistens in Kombination mit dem Geruch von Holzkohle und Grillfleisch einher. Das ist schon mal keine schlechte Assoziation. Wenn es aber dunkel wird beim Grillen, dann kommt es durchaus vor, dass man mit gemütlichem Licht für Stimmung sorgen möchte. Und damit’s nicht zu plump sondern eher nett wird, greift man tiiiiief in die Landlust-Trickkiste und steckt einfach einen Lichterkette (mit LEDs in Schmetterlings-Optik) in ein Einmach-Glas. »Ach Mensch, das ist ja toll!«
Man soll ja immer sagen, was man denkt. Tut mir auch ein bisschen leid und ein bisschen leid sollte es auch der Grafikabteilung tun – nicht nur wegen des oben beschriebenen Motivs, sondern auch (vor allem?) wegen der Schriftwahl, die es nicht besser macht. Von ihrer Formensprache her wäre sie auf einem Science-Fiction-Cover besser aufgehoben, außerdem ist das Kerning unsauber, da der Abstand zwischen »d« und »r« viel zu klein und zwischen »r« und »e« viel zu groß ist. Dadurch entstehen Löcher im Schriftbild, die für eine schlechte Lesbarkeit sorgen.
Zum Glück hatte das Glas eine Wölbung, denn sonst wäre das Wort »dream« komplett ins Motiv gerutscht. Noch ein paar schöne Lichteffekte drauf mit Photoshop – zack, bumm, fertig! Ab ins Presswerk!
Zusammengefasst: Dieses Cover hat – um in der Sprache des Mixtapes zu bleiben – auf jeden Fall den Dancefloor leer gespielt. Hoffentlich traut sich da gleich wieder jemand hin.
Gautier Capucon & Yuja Wang – Franck / Chopin
Erato • Januar 2020

Hallelujah! Diese beide Menschen (deren Kleidungsstil mir deutlich weniger zusagt, als der des Protagonisten von Cover 3) kommen straight auf mich zu. Ich sitze hinter einer Scheibe (im Auto?) und es hat geregnet. Assoziieren Sie das auch direkt mit gewissen Filmszenen? Jemand sitzt im Auto hinter verregneter Scheibe, Menschen in Anzügen und Lederjacken nähern sich mit Gesichtsausdrücken zwischen Bestimmtheit und Wahnsinn? Das geht meistens nicht gut aus – für wen auch immer.
Leider erfüllt das Motiv viele Klischees und spielt mit platten Attitüden. Außen eine Insta-filter’eske Farbwelt, die sagt »Hey, wir sind knallig und frisch!«, zudem der Regen, der eine gewisse nachdenkliche Stimmung verspricht. Innen zwei Personen, die – auf ihr Äußeres reduziert – auch für Uhren oder Parfum Werbung machen könnten. Wegen der Schrift mache ich jetzt kein Fass mehr auf, da die Leser:innen dieser Rubrik mittlerweile über ausreichend Fachwissen verfügen dürften, um dieses Thema selbst korrekt einzuordnen.
Zusammengefasst: Next!
Denis Matsuev – Schostakowitsch / Schnittke / Lutoslawski
Deutsche Grammophon • Mai 2020

Auf den ersten Blick sagt mir das Cover sehr zu. Das liegt an der Minimalität der Grafik und an den Farben (das Auto in Cover 1 hatte eine ähnliche…) Abgesehen davon: In dieser Größe und Platzierung wirkt das Grammophon Label oben rechts in der Ecke sehr edel und fast schon wie ein Gütesiegel.
Würde ich dieses Cover im Plattenladen oder auf Spotify sehen, würde ich auf jeden Fall reinhören, weil es mich neugierig macht. Ungehört würde ich die Musik eher in der ruhigen, sphärischen und vielleicht experimentellen Ecke verorten. Im Bezug auf Klassik verbindet man Linien ja meist mit Notenblättern oder den Saiten der Streichinstrumente. Kurz mal reingeskippt, erübrigt sich dieser Gedanke schnell wieder.
Aber ziehen wir das Ding mal von der anderen Seite auf: Was wäre die Alternative gewesen? Was hätte man statt einer ansprechenden Illustration aufs Cover packen können? Ein Foto der »zwei Orchester, die sich gegenseitig den Spitzenplatz streitig machen könnten« das »Musiker [es sind tatsächlich nur Männer, Anm. d. Red.] zwei der bedeutendsten Orchestren der Welt« zeigt? Wie das ausgesehen hätte, können Sie ja mal googeln. Von daher Chapeau an die Grafikabteilung, die es sicherlich nicht einfach hatte, die Verantwortlichen aus dem Marketing davon zu überzeugen, doch lieber was Abstraktes abzubilden.
Die Schrift sitzt, wackelt und hat Luft. Wieder kein Hexenwerk und eher unaufgeregt. Aber alles andere hätte auch eher mit dem Motiv konkurriert, als es zu unterstützten.
Zusammengefasst: Find’ ich gut. Sorgt in dieser Reihe wieder für ein bisschen Auftrieb.
Anna Prohaska – Paradise lost
Alpha • April 2020

Keine Ahnung, warum meine ersten Assoziationen zu diesem Cover »Der bewegte Mann« und »Isch ’abe gar keine Auto, Signorina« sind. Es mag daran liegen, dass beides in den Neunzigern verhaftet ist. Und das Cover kommt in seinem Bildstil der Studio- und Potrtaitfotografie dieser Zeit schon ziemlich nah.
Ich würde mir das Bild jetzt nicht an die Wand hängen, aber irgendwas daran spricht mich an. Vielleicht auch nur, weil ich als Teenager in den Neunzigern voll am Start war und das eine Art Nostalgie in mir weckt. Oder liegt es daran, dass alle Elemente irgendwie im goldenen Schnitt liegen? Oben rechts ihr Kopf mit dem Apfel, unten links die Schrift und oben oben links sein Kopf samt Unterarm und Hand. Das ist ansprechend inszeniert und harmonisch komponiert.
Die Schrift des Titels (Futura) ist seit den Dreißiger Jahren des Neunzehnten Jahrhunderts ein Renner (pun intended: ihr Gestalter hieß Paul Renner). Richtig eingesetzt, kann man da sehr wenig falsch machen. Gerade in der fetten Version sieht sie auch mit über 90 Jahren noch jugendlich und frisch aus. Das wissen auch zahlreiche Marken – vom Lokalmatador 1. FC Köln bis zum weltweit gehypten Modelabel Supreme.
Bei der Platzierung der Schrift hat man nicht viele Möglichkeiten, außer man möchte das Bild zerstören. Aber hier dient der Text ja auch mehr der Information als der Unterhaltung. Dafür ist der Apfel ja da!
Zusammengefasst: Kann man machen – passt schon!
New Collegium, Claudio Ribeiro – Empfindsam
Ramée • Mai 2020

Mein erster Gedanke? »y tho«! Für das Erstellen eines Buddelschiffs braucht man eine gewisses Feingefühl. Das kann schon mal tricky sein, so eine Schiff in eine Flasche zu bekommen. Aber warum sollte man nach der ganzen Aufregung das Schiff samt Flasche ins Wasser werfen? Das macht man doch normalerweise mit ’ner Flaschenpost.
Das Ding mit Sachen in Glasobjekten scheint ein Thema in dieser Ausgabe der Stilkritik zu sein (siehe Cover 4), nur wird es mit diesem Motiv leider auch nicht besser. Die Wellen und die Wasserspritzer auf dem Cover sind gut eingefangen. Und eigentlich treibt die Buddel auch ganz beseelt rum. Aber nochmal: Warum? Empfindsamkeit sieht für mich anders aus und wenn es unbedingt das Schiff- und See-Thema sein muss, hätte man hier auch wesentlich tiefer in die Motiv-Kiste greifen können.
Auch hier fangen wir mit der Schrift besser erst gar nicht an, sonst beiße ich mich zu sehr an die farbige Auflockerung der Initialen des Komponisten fest.
Zusammengefasst: Da kann man seekrank werden. Reich mal die Buddel Rum rüber!
Elfa Run Kristinsdottir, Sabine Erdmann, Magnus Andersson – Baroque Violin Sonatas
Solaire • April 2020

Ich falle mit der Tür ins Haus: Das ist mein Gewinner. Warum? Weil das Motiv mich am meisten beschäftigt. Es ist ein bisschen wirr und man fragt sich, was das sein soll. Und das sind schon mal – für mich zumindest – zwei positive Eigenschaften eines Covers.
Die Farbzusammenstellung gefällt mir ziemlich gut und vor allem die Kombination mit dem Bildrauschen mag ich sehr. Man könnte vermuten, dass es sich bei dem Motiv um das Röntgenbild einer Orgel handelt.
Insgesamt sagt mir das Bild so sehr zu, dass ich bei der Banderole sogar ein Auge zudrücken kann. Man hätte hier mit einer anderen Schriftwahl erstens viel mehr rausholen und zweitens das tolle Motiv noch mehr unterstützen und heben können. Abgesehen davon ist der »Bauch« des kleinen »g« im Vornamen des Herrn Andersson abgeschnitten. Das hätte einem bei der Produktion einer »Deluxe-CD im Schuber einschließlich 80-seitigem Booklet« auffallen können – ja sogar müssen!
Zusammengefasst: Dem Review-Auszug »pustet […] mühelos die Ohren frei« möchte ich mich auch von der grafischen Seite anschließen: Kann man schon mal das Auge drauf ruhen lassen!
Cuarteto Casals: Ludwig van Beethoven – Sämtliche Streichquartette Vol.3 »Apotheosis«
harmonia mundi • Mai 2020

Neben Objekten in Glas ist ein dunkles Rot wohl die Stilkritik’sche Sommerfarbe des Jahres. Um es mit den Worten der Pantone Farbe des Jahres 2015 zu sagen: »Als natürlich-kräftiges, erdartiges Weinrot bereichert ›Marsala‹ unsere Körper, Sinne und Seelen. Dieser geschmackvolle Farbton verkörpert die zufriedenstellende Üppigkeit einer reichhaltigen Mahlzeit, während ihre rotbraunen Wurzeln von eine anspruchsvollen, natürlichen Bodenständigkeit zeugen.«
Anhand der Schriftwahl würde ich der oder dem Grafiker:in ein gewissen Know-How unterstellen. Man hat versucht, den Titel wirklich auch als Titel zu gestalten und nicht nur eine normale belanglose Schrift aufs Bild zu klatschen. Er korrespondiert auch toll mit dem Foto, weil die Konturen der Buchstaben ähnlich mit dem Hintergrund verschmelzen, wie es die Körper der Menschen tun. Auch wenn es sich bei der Schrift um eine fertige und keine eigens gestaltete handeln sollte, hat man sich zumindest Gedanken um deren Optik und Wirkung gemacht.
Mir gefällt die Idee mit der Körperbemalung ziemlich gut, auch wenn ich es zuerst gar nicht gerafft habe, dass es sich um Farbe handelt. Ich dachte, die hätten alle eine Rollkragenpullover an. Dass ich Fan der Farbe bin, muss ich an dieser Stelle nicht noch mal erwähnen. Abgesehen davon ist der Gesichtsausdruck und die Haltung der Köpfe sowie der Blick aller Künstler:innen super. Hier war ein:e professionelle:r Fotograf:in am Werk. Das sieht man einfach. Und spätestens seit dem Rebranding, kann man das Logo des Labels auch ohne schlechtes Gewissen vorne drauf machen.
Zusammengefasst: In der heutigen Stilkritik sorgt das Cover auf jeden Fall für den nötigen Paukenschlag gegen Ende des Mixtapes.
Masako Ohta – My Japanese Heart
Winter & Winter • Juni 2020

Das Motiv kommt mit ziemlicher Sicherheit aus Japan, was für die ersten Sekunden der Betrachtung für mich erst mal ausreichend ist, um es gut zu finden. Lassen Sie mich zur Einordnung kurz Wikipedia spielen: »Koi-Nobori (dt. Karpfenfahne oder Karpfendrachen) sind kleine Windsäcke, die am japanischen Kindertag (5. Mai) vor den Häusern gehisst werden.«
Mir gefällt die generelle Optik des Fotos und dass es so verwackelt und verschwommen ist. Das lässt das Ganze wie einen Traum aussehen, oder an eine Zeit denken, in der Objektive noch nicht so gut waren und die Bilder eben manchmal unscharf wurden. Was Negatives kann ich dem Bild nicht abgewinnen. Es strahlt eine gewisse Ruhe und Gelassenheit aus – nicht zuletzt durch den vielen Weißraum im Bild, der dem Himmel zugute kommt.
Typografisch wieder nix Weltbewegendes, aber zumindest angemessen. Bei der verwendeten Schrift handelt es sich zweifelsohne wieder um die Futura (siehe Cover 7), die ausgiebig spationiert wurde, um die luftige Wirkung des Fotos zu unterstützen. Die rote Schriftfarbe liegt auf der Hand und kommt auf schwarz-weiß-Bildern sowieso immer ganz gut. Im Grunde genommen nix falsch gemacht.
Zusammengefasst: Die Ruhe vor dem Sturm. Geht schon klar!
Anne-Sophie Mutter, Yo-Yo Ma, Daniel Barenboim: Ludwig van Beethoven – Tripelkonzert op.56
Deutsche Grammophon • April 2020

Ein gutes Mixtape braucht ein Outro. Eine gute Stilkritik auch. Nun hat man bei der Kuration einer Compilation verschiedene Wege, die Hörer:innen (in diesem Falle Leser:innen) zu entlassen. Man kann die Kurve wieder absenken, um einen runden Bogen gespannt zu haben, man kann die Kurve aber auch noch mal anheben – zum Beispiel mit einem fulminanten Cliffhanger. Oder man hinterlässt einfach ein großes Fragezeichen. Meine erste Assoziation zu diesem Cover: Musikantenstadl…
Gut, der Grammophon-Banner ist ikonisch und für viele (immer noch) Garant für klassische Musik erster Güte, so wie auch die abgebildeten Künstler:innen. Aber mal unter uns: Genau diese Optik war der Grund dafür, dass das Klassik-Magazin, das Sie gerade lesen, komplett anders aussieht.
Wenn Sie mögen, können wir noch kurz über die Schrift reden: Hier handelt sich mit ziemlicher Sicherheit um die 1988 von Adrian Frutiger gezeichnete Avenir. Falls Sie der französischen Sprache mächtig sind, sollte Ihnen auffallen dass »Avenir« das französische Wort für »Zukunft« ist. Nun fragen Sie sich sicher, warum (zumindest gefühlt) alle Schriften »Zukunft« oder »Futura« heissen. Die Erklärung ist ganz einfach: Frutiger wollte mit der Avenir einen menschlicheren und gefälligeren Gegenpol zur vollständig geometrisch konstruierten Futura schaffen.
Viel spannender als der Ursprung der Schrift wird es bei diesem Thema leider auch nicht mehr, denn obwohl die Platzierung schon recht sauber ist, ist sie doch eher gelernt als geliebt.
Zusammengefasst: Hier stimmt einfach alles! In welche Richtung entscheiden Sie. Mehr braucht man dazu nicht zu sagen. ¶