Game of Thrones meets Periodensystem – eine Album-Cover-Stilkritik in drei Staffeln.

Protokoll · Datum 11.10.2017

Gnedby und Billy sind für dich keine böhmischen Dörfer, sondern stehen an deiner Wand? Dann bist du hier vollkommen richtig! Wir haben Nachschub für dein CD-Regal. Zusammen mit dem Münchner Designer analysieren wir die Gestaltung zwölf aktueller Klassik-Neuerscheinungen. Heute in Staffel eins: Ein seltsames Foto, eine schlimme Zeichnung, professionelle Typografie und schwarz-weiße Spiegel.

Jacques Offenbach – The Island of Tulipatan

Albany Records • 08/2017

Das Foto finde ich schon mal sehr gut. Einerseits total seltsam, andererseits aber auch lustig: Diese schlecht gelaunten Menschen, von denen man nicht genau weiß, was sie eigentlich von einem wollen. Dazu das Kleid, das Kopfband, die Fliege, der Käfig und das Wort »Loony« auf der Mauer … sehr schön.

Den Rest finde ich dafür nicht so gelungen. Ganz ehrlich bedeutet mir die Typografie oben rein gar nichts. Sie ist viel zu nah an den Köpfen der Menschen und wirkt irgendwie gequetscht. Das Bild hat ja eine Absicht. Dazu müsste man es aber mehr in Ruhe lassen und nicht so stark mit der Typografie stören.

Das Albany-Records-Logo kommt gestalterisch aus einer ganz anderen Zeit, gefällt mir aber sehr gut. Insgesamt hätte man einfach stärker auf die Qualität der Fotografie vertrauen sollen, dann wäre das ein super Cover geworden. Zusammengefasst: Super Bild, schlechte Typo.

Robert Smith; Paolo Pandolfo – The Excellency of Hand: English Viola da Gamba Duos

Resonus • 03/2017

Also das finde ich ganz schlimm. Angefangen bei der Zeichnung, die ich nicht mag, bis hin zur Typografie – eine schlechte Simulation einer Handschrift, der man trotzdem die digitale Wiederholung stark ansieht. Dazu das viel zu dominante Resonus-Logo oben in der Ecke. Insgesamt ist das alles total unausgewogen. Gefällt mir überhaupt nicht. Mehr fällt mir dazu leider auch nicht ein … sorry.

Krzysztof Penderecki – Penderecki conducts Penderecki Vol. 2

Warner Classics • 09/2017

Typografisch sieht das sehr professionell aus. Eine ganz lebendige, klassizistische Schrift, kombiniert mit einer versalen Grotesk und in Kombination mit der schönen Signatur – so kann man das heute gut machen. Da macht man wenig falsch und gleichzeitig viel richtig. Warner Classics ist ja ein großer Betrieb und das merkt man auch an der Professionalität der Gestaltung.

Das Logo der Warsaw Philharmonic oben rechts gefällt mir wahnsinnig gut. Diese fallenden Buchstaben-Ligaturen ergeben einen schönen Rhythmus. Das mag ich. Ein schönes Logo.

Den Hintergrund: naja – ganz ok, aber auch ein bisschen spießig, wie die beiden Buchstaben ganz rechts und ganz links angeschnitten werden. Wäre wohl ohne diese Überlappung besser, da konsequenter gewesen. Typografisch alles aber dennoch total in Ordnung.

Grundsätzlich hätte man die vielen Elemente vielleicht noch ein wenig stärker umarmen können, indem man aus den Logos und der Schrift ein typografisches Ensemble in der Mitte der Fläche geschaffen hätte. Dann wäre das Cover gleich noch eine Spur interessanter.

Ragazze Quartet – Spiegel

Channel Classics • 09/2017

Hui, da ist ganz schön was los. Wo fange ich an? Das Bild mag ich eigentlich gerne, absolut Cover-geeignet. Man kann die Schwarz-Weiß-Fotografie zeitlich nicht so richtig einordnen, obwohl es natürlich ein aktuell produziertes Bild ist. Gut finde ich, dass es unterschiedliche Spiegel sind. Vielleicht lässt das Rückschlüsse auf das jeweilige Instrument oder den Charakter der Personen zu. Das Motiv könnte auch gut zu einer Indie-Band passen.

Alle anderen typografischen Elemente zerstören das Bild aber – da könnte man jetzt alles einfügen, was ich schon beim ersten Cover sagte. Würde man alle Elemente bis auf das rote »Ragazze Quartet« weglassen, wäre es ein super Cover. Dass jedoch Spiegel so quer über dem kompletten Motiv steht und sich dann auch noch spiegelt – das ist einfach nur störend und auch nicht wirklich gut gemacht … dazu dann noch das viel zu große Logo – das hilft auch nicht gerade. Viel stärker wäre es gewesen, man hätte das Motiv einfach in Ruhe gelassen. ¶

Tom Ising

… arbeitete nach seinem Studium an der Hochschule Augsburg beim jetzt-Magazin der Süddeutschen Zeitung. Im Anschluss gründete er zusammen mit Martin Fengel und Judith Grubinger die Designagentur HERBURG WEILAND. Seitdem arbeitet er von dort aus als Art Director für Zeitschriftenverlage (Burda, Springer, Gruner&Jahr), Buchverlage (Suhrkamp, Klett-Cotta, Random House) und Organisationen wie dem Residenztheater, der Staatsoper Berlin, dem Lenbachhaus in München und dem Bauhaus in Dessau.

Achtung – Spoiler Alert! Nächste Woche in Staffel zwei: Wehende Tücher, ein Cocktailglas mit Noten, chemische Elemente und ein gefrorener Ast.