Game of Thrones meets Periodensystem– eine Album-Cover-Stilkritik in drei Staffeln.
Gnedby und Billy sind für dich keine böhmischen Dörfer, sondern stehen an deiner Wand? Dann bist du hier vollkommen richtig! Wir haben Nachschub für dein CD-Regal. Zusammen mit dem Münchner Designer analysieren wir die Gestaltung zwölf aktueller Klassik-Neuerscheinungen. Heute in Staffel drei: Moderne Porträtfotografie, lustige Collagen, Minimal Art und Buchstabensuppe.
Víkingur Ólafsson – Piano Works
Deutsche Grammophon • 01/2017

Schön, der Versuch, sich in den Bereich der modernen Porträtfotografie vorzuwagen. Die seltsame Doppelbelichtung, das farbig gesetzte Licht, die Person mit dem ernsten Blick – da passiert zumindest etwas in dem Bild. Das ist ein guter Weg. Vielleicht ist es insgesamt aber ein kleines bisschen zu konkret fotografiert: Alle Details in der Person sind sehr genau erkennbar. Ein bisschen Geheimnis hätte dem ganzen Bild wohl gutgetan. So ist es schon sehr sachlich und nüchtern.
Bei diesem Cover stört das riesige Grammophon-Logo fast schon ein wenig, wie es über allem thront und das Bild unter sich begräbt. Entweder das Logo kleiner ins Eck oder das Bild auf Querformat fotografieren. Man spürt einfach den Anschnitt des Bildes zu stark, so wurde es bestimmt nicht fotografiert.
Filippo Mineccia & Raffaele Pe – A due alti
Glossa • 19/2017

Ah, eine Collage. Gute Collagen mag ich gerne! Man denkt natürlich immer gleich an die berühmten Monthy Python-Collagen, die das zur Perfektion getrieben haben. Dieses Humor-Level wurde danach nur ganz selten wieder erreicht. Die meisten der Collagen, die man sieht, sind eher langweilig, es ist eben so viel einfacher, schnell zu collagieren als gut zu illustrieren oder fotografieren. Die Collage hier auf dem Cover finde ich aber ganz gut. Es gibt dort diese historischen Personen mit riesigen, fast schreienden Mündern. Das hat etwas sehr Übertriebenes, was hier gut passt. Auch die »Füße« des Instruments in der Mitte sind toll.
Aber auch hier rutscht mir die Typografie etwas zu nah ans Motiv. Bei einem Platten- oder Buch-Cover ist entweder das Bild der Star oder die Typografie. Es können nicht beide sein – sonst kämpfen sie gegeneinander an und beide verlieren. Hier hat man sich ganz klar für das Bild als Star entschieden. Dann muss man sich mit der Typografie eben noch weiter zurücknehmen, als man es sowieso schon getan hat. Trotzdem mag ich das Cover eigentlich ganz gerne.
Terry Gilliam, Mitbegründer der Gruppe, über die Collagen von Monty Python
Alexei Lubimov – Tangere
ECM • 08/2017

Das muss man erst mal kurz auf sich wirken lassen: Ist diese Typo da oben jetzt ganz modern oder vielleicht auch nur uninspiriert und schnell gemacht? Gar nicht so einfach zu erkennen. Auf jeden Fall ein moderner Umgang: Eine serifenlose Schrift möglichst in Ruhe lassen und eher durch Abstände und Anordnung eine interessante Ebene schaffen. Aber wie überall gilt auch hier: Je weniger man macht, desto besser muss das sitzen. Ich finde es hier bis auf die Abstände zum Rand eigentlich schön gelungen.
Ich kenne die Musik leider nicht, aber mich würde hier ein O-Ton des Gestalters interessieren, wie stark das Design mit der Musik zusammenhängt. Wie gut auch das abstrahierte Coverbild passt. Es erinnert an ein Feuerwerk … Alles in allem ein schönes Cover, das man gerne bei sich herumliegen lassen könnte.
Matt Haimovitz, Christopher O’Riley – Troika
Pentatone Oxingale Series • 09/2017

Ich kann leider den Titel nicht lesen. Das ist schon mal ganz schlecht (lacht). Ich versuche natürlich sofort, diese großen Buchstaben zu deuten und komme nicht weiter. Vielleicht, weil es russisch ist oder vielleicht auch, weil die Reihenfolge nicht klar ist. Dann setzt natürlich Frustration beim Betrachter ein und man hat als Gestalter eigentlich verloren.
Insgesamt ein wildes Ensemble aus herumfliegenden Buchstaben, Linien, Farben, 90-Grad-Winkeln – und dann liegt noch dieses gefilterte Bild im Hintergrund. Entweder hat sich da jemand etwas ganz Ausgefuchstes überlegt oder es ist einfach viel zu viel. Ich kann damit nicht viel anfangen. Das Cover entwickelt keine große gestalterische Qualität – auch wenn es vielleicht gut gemeint ist. Ein bisschen weniger hätte auch hier geholfen … ¶

Tom Ising
… arbeitete nach seinem Studium an der Hochschule Augsburg beim jetzt-Magazin der Süddeutschen Zeitung. Im Anschluss gründete er zusammen mit Martin Fengel und Judith Grubinger die Designagentur HERBURG WEILAND. Seitdem arbeitet er von dort aus als Art Director für Zeitschriftenverlage (Burda, Springer, Gruner&Jahr), Buchverlage (Suhrkamp, Klett-Cotta, Random House) und Organisationen wie dem Residenztheater, der Staatsoper Berlin, dem Lenbachhaus in München und dem Bauhaus in Dessau.