Das Musikhaus Katholnigg in der Altstadt Salzburgs, nur drei Minuten Fußweg vom Festspielhaus entfernt, im sogenannten »Festspielbezirk«, wurde 1847 gegründet. Zunächst wurden dort Klaviere gebaut und verkauft, seit der Erfindung des Grammophons auch immer mehr Schallplatten, später CDs. Katholnigg und die Inhaberin Astrid Rothauer standen für Tradition, Qualität und erlesene Klassik. Für die regelmäßigen und zahlreichen (oft gut betuchten) Besucher der Salzburger Festspiele oder der Mozartwoche am Mozarteum war es ein fester Teil ihres Festivalerlebnisses: zu Katholnigg zu gehen und sich beraten zu lassen zu Neuerscheinungen und den aktuellen Stars der Festspiele. Viele Stammkunden, Musikliebhaber aus der Stadt, aus anderen Teilen Österreichs aber auch aus Asien oder Südamerika, besuchten den Laden jedes Jahr immer wieder. Es war keine Seltenheit, dass sie ganze Stapel von CDs kauften, 10–15 auf einmal, einen Vorrat fürs ganze Jahr.Ich habe Astrid Rothauer im Sommer 2005 kennengelernt, als ich als Studentin während der Festspiele 6 Wochen lang in ihrem Laden einen Pressestand der Deutschen Grammophon für die internationalen Journalisten betreute. Wir verstanden uns gut und hielten den Kontakt. Auf ihre Anfrage hin kehrte ich 2007 und 2008 zurück, um für ein paar Tage beim Verkaufsboom während der Festivalzeit auszuhelfen. Astrid war stets daran gelegen, ihre Kunden sehr gut zu beraten, daher wollte sie eine Assistentin, die sich mit der Musik, den Künstlern, den CD-Erscheinungen und dem Repertoire auskannte. Sie legte in ihrem Laden gern auch Musik auf, die als »Hintergrundmusik« lief, mal Klassik, mal Jazz, immer neugierig machend, aber nicht zu aufdringlich, immer atmosphärisch abgestimmt auf die Tageszeit. Es gibt einige CDs, die ich noch immer mit Katholnigg verbinde. Nun ist der Laden seit Ende Dezember 2017 Geschichte, passend zum 170. Jubiläum. Ich habe Astrid in Salzburg angerufen und das Gespräch protokolliert.

»Ich habe das Musikhaus Katholnigg 1996 übernommen. Vorher war ich bei der EMI in Wien und meine Eltern hatten selbst ein Musikhaus (Rothauer) in St. Johann im Pongau. Ich liebe die Musik und kannte mich aus in der Branche. Die Verkaufszahlen waren sehr gut und stiegen stetig an, bis zum absoluten Höhepunkt in 2006, dem Mozart-Jahr. Da wurde gekauft wie wild, das war der Wahnsinn. Im Nachhinein kann ich feststellen, dass die kontinuierliche Rückentwicklung mit der Wirtschaftskrise 2008 begann. Der Umsatz stagnierte zunächst, dann ging er immer weiter zurück. Vom Kuchen war am Ende nur noch ein Drittel übrig. 2017 gab es nochmal einen Umsatzeinbruch von circa 15–20 % im Vergleich zum Vorjahr. Wenn diese Tendenz anhält, worauf soll man da warten als Händler? Dass wir von den Labels irgendwann über die Einstellung der CD-Produktion informiert werden? Die Zeit war für mich reif, nun selbstbestimmt das Ende zu gestalten. Ich habe den Stammkunden schon ab dem Sommer nach und nach erzählt, dass ich schließen werde. Auch den Geschäftspartnern, den Vertrieben und Labels habe ich es zur gegebenen Zeit mitgeteilt. Universal schrieb dann tatsächlich sehr nett zurück, dass eine »unschließbare Lücke« zurückbliebe in Salzburg.
Nebenan im gleichen Haus war ein kleiner Juwelier, der auch geschlossen hat. Ich habe kurz überlegt, dorthin umzuziehen, um die Ladenfläche zu verkleinern und weniger Miete zu zahlen. Mein Laden war knapp 70qm groß, der andere hat knapp 30. Dann erfuhr ich auf Nachfrage, dass der Vermieter dort den Mietpreis fast verdoppelt hatte und der Raum beinahe genauso viel gekostet hätte wie meine bisherige Miete. Da habe ich dann gesagt, ›okay, das war’s‹. Vor zehn Jahren gab es 40 CD-Fachhändler in Österreich, heute sind es keine 10 mehr. Es ist die Frage, wie lange die sich noch halten werden. Das Sterben von personengeführten Einzelhandelsgeschäften, wo beraten wird, wo man sich kennt, macht selbst vor einer charmanten Stadt wie Salzburg nicht halt.

Ich erlebe eine große Orientierungslosigkeit bei den Labels. Man hat das Gefühl, die wissen selbst nicht mehr, was sie machen sollen. Von den Ansprechpartnern, Leuten, mit denen man jahrelang zu tun hatte, sind viele nicht mehr da. Mit dem Ermöglichen des Streamings haben sie das Produkt CD ja quasi aufgegeben. Das kann eigentlich nur den langsamen Tod für die Branche bedeuten. Mit dem Live-Streaming von Konzerten und Opernaufführungen macht man sich außerdem den DVD-Verkauf kaputt.
Beim CD-Verkauf ist ja die Optik auch mitentscheidend. Ich finde es schade, dass meistens nur Porträts der Künstler abgebildet werden, dass man sich nichts mehr denkt bei den Covern. Man muss dort doch eine Geschichte erzählen! Den Firmen scheint das Gefühl dafür abhandengekommen zu sein.
Es geht ja auch anders, wie zum Beispiel die Neuerscheinung bei myrios classics, »Once Upon A Time«, mit Tabea Zimmermann, Jörg Widmann, Dénes Várjon zeigt. Das ist ein tolles Cover, märchenhaft, wie der Inhalt. Das gehört ausgezeichnet! Auch die Veröffentlichungen von Currentzis sind gute Beispiele für schöne CDs mit außergewöhnlichem Cover. Ich vermute aber, dass ihm das auch selbst wichtig ist und er da Wert drauf legt.
Ich habe regelmäßig Signierstunden und CD-Präsentationen organisiert für die Major-Labels, verbunden mit einer kleinen Gesprächsrunde, einem Journalisten, der Fragen stellte, einem kleinen Umtrunk dazu, damit die Atmosphäre auch stimmt und es nicht lediglich ein gehetztes Signing ist. So, wie es heute oft ist, empfinde ich es als sehr anstrengend und unschön für die Künstler: sich direkt nach dem Konzert noch verschwitzt da hinsetzen und Autogramme geben zu müssen. So viele waren bei uns jedes Jahr, der Villazón, Cecilia Bartoli, Thomas Hampson, Elīna Garanča, Anna Netrebko, Luca Pisaroni, Juan Diego Flórez, Piotr Beczała, Rudolf Buchbinder und viele mehr. Und sie kamen gern, die Künstler wie auch das Publikum, weil sie die nette Stimmung schätzten. Da ging der Verkauf natürlich immer besser, auch in den letzten Jahren.
Im Dezember habe ich eine Jubiläumsaktion gemacht »Nimm 4, zahl 3«, die gut angenommen wurde. So habe ich einen Abverkauf vermieden, weil es mir wichtig war, dass das Produkt CD mit Würde behandelt wird. Als die Möbelpacker kamen, musste ich den Laden komplett ausräumen, alle Regale, Tische raus. Das Herzstück, der Mittelpunkt des Ladens war eine große Holztheke, wo früher die LPs drin waren und die Kasse draufstand. Ich hatte immer wieder überlegt, das mal umzuändern. Und dann wurde auch die auseinandergebaut und Stück für Stück rausgetragen. Als ich dann dastand, im leeren Raum, hatte ich das Gefühl, so verrückt das klingen mag, dieses Pult und ich, das waren die Seele des Ladens. Der Raum hat keine Atmosphäre mehr gehabt. Und somit fiel mir das Abschiednehmen leichter.
Ich bin mir sicher, dass wieder etwas Neues für mich kommt, es gibt verschiedene Ideen, mal schauen, was daraus wird. Wenn ich nochmal ein ganz kleines Geschäft finden würde, mit nicht allzu hohen Kosten, dann würde ich mir überlegen, nochmal einen Laden aufzubauen. Da würde ich zumindest als einen Teil des Angebots auch Musik verkaufen, nur ganz Exklusives und Ausgewähltes. So ganz komme ich nicht davon los.« ¶