
Transit. Das meint für cresc…2017: Brücken schlagen, Grenzen überschreiten, sich stets neu verorten, sich zwischen Ländern, Kulturen und Genres bewegen. Isang Yun ist so ein Grenzgänger, aber auch Ilan Volkov, das Ensemble Modern oder das hr-Sinfonieorchester – und mit ihnen viele weitere Künstler* innen, unter anderem aus Syrien, dem Iran, Afghanistan und dem Sudan, die in den Konzerten, Geprächsformaten und Perfomances zwischen dem 22. und 26. November erlebbar sind. Wir stellen in Kooperation mit cresc…2017 vier von ihnen vor.
Zeitlebens vermittelte Isang Yun zwischen Süd- und Nordkorea, Europa und Asien, zwischen Tradition und Avantgarde, Kunst und Politik. cresc…2017 verbindet Werke Isang Yuns mit einem polyphonen Geflecht aktueller musikalischer Stellungnahmen zu den brennenden Fragen heute: Konflikt und Aussöhnung, Hoffnung und Resignation, Ort und Nichtort, Territorium und Identität, Eigenes und Fremdes – zum Beispiel bei einer Filmvorführung mit Konzert, auf dem pinken Sofa und im Rahmen der Konzerte Engel in Flammen und Musikalisches Opfer am 26. November. Um all das aufnehmen zu können vorher einmal »ganz weiß, ganz leer werden« mit Toshio Hosokawa, einem Kompositionsschüler Yuns, mit dem Hartmut Welscher über seinen Lehrer gesprochen hat.
Ilan Volkovs Arbeit Tectonis bezeichnet VAN-Autor Jeffrey Arlo Brown als einen Seismographen, der das Aufeinanderprallen verschiedener Musiktraditionen und -kulturen spürt, aber auch erste Aufschlüsse darüber geben kann, wo es mit dem Orchester hingehen könnte. Dieses Schwingen (oder Beben?) wirkt auch bei cresc…2017, in einem Doppelportrait von Alvin Lucier und Éliane Radigue in zwei Konzerten (Tectonic Mosaic I und Tectonic Mosaic II), beide kuratiert und dirigiert von Ilan Volkov. In VAN spricht er über Plattenbewegungen, Geschmack und Lokalität.
Den deutlichsten Bezug zum Thema Transit haben die beiden Konzerte Crossing Roads. Bei Crossing Roads I präsentieren Jugendliche der Bettinaschule Frankfurt mit geflüchteten Musikern aus Syrien, dem Iran und Sudan die Ergebnisse gemeinsamer Arbeitsphasen und interkultureller, musikalischer Begegnungen. Mit dem gleichen Prinzip und einer etwas anderen Besetzung arbeitet Crossing Roads II. Hier überwinden das Ensemble Modern, die Internationale Ensemble Modern Akademie und geflüchtete Musiker aus Syrien, Afghanistan und dem Iran musikalisch Grenzen. In VAN haben wir mit Nabil Arbaain aus Damaskus gesprochen, der seit zwei Jahren in Deutschland lebt – über seine musikalische Ausbildung in Syrien, über Krieg und Flucht und seine Projekte in Berlin.
Bachs Musikalisches Opfer ist ebenfalls Teil von cresc…2017. Seine Entstehungsgeschichte ist wohl bekannter als die Musik selbst. 1747 übergab Preußen-König Friedrich II. dem betagten Bach in Potsdam ein paar eigene Noten in die Hand und forderte ihn auf, über dieses »Thema regium« eine Fuge zu improvisieren – was Bach natürlich bravourös meisterte. So entstand die Grundlage des Musikalischen Opfers. 230 Jahre später greift Isang Yun das »Königliche Thema« auf und macht auf einer Solo-Violine »einen Spaziergang in die asiatische Tradition«, zwölftönig und abwechslungsreich. Beide Stücke sind im Rahmen eines Konzerts am 26. November mit der Akademie für Alte Musik Berlin, dem Ensemble Modern und Jagdish Mistry zu hören. Mit der Oboistin Xenia Löffler, einem Mitglied der Akademie für Alte Musik Berlin sprachen wir über Modernes und Altes, Neuland und gemachte Nester.