Datum 7.3.2019

In der aktuellen Ausgabe von MaerzMusik – Festival für Zeifragen werden Geschichte und Geschichtsschreibung als zeitpolitische Phänomene thematisiert. Das Opening findet am Freitag, 22. März um 20 Uhr statt. Der Komponist Frederic Rzewski spielt sein großes Variationswerk The People United Will Never Be Defeated!. In den weiteren Festivaltagen ist u.a. das neue multimediale Projekt TIME TIME TIME von Jennifer Walshe und Timothy Morton, zwei Werke von Olga Neuwirth, eine Uraufführung von Justė Janulytė, und aktuelle Arbeiten von George Lewis und Elaine Mitchener zu erleben. Neben dem Diskursprogramm Thinking Together und The Long Now im Kraftwerk Berlin setzt das Festival mit dem Projekt Tele-Visions einen großen Schwerpunkt auf die Mediengeschichte der musikalischen Avantgarde von den 1950er bis in die 1990er Jahre. Wir lassen in diesem Themenspecial vier MaerzMusik-Künstler*innen und Werke zu Wort kommen.

Olga Neuwirth nähert sich der Geschichte bei MaerzMusik auf zwei unterschiedlichen Wegen. Einmal nachdenkend über historische Zeit, über die Blindheit der Zeitgenossenschaft, über unsere Gegenwart und Zukunft: Am 29. März spielt das Ensemble PHACE live Neuwirths Musik zur neu restaurierten Version des Films Stadt ohne Juden von 1924. Einmal sehr persönlich, biografisch: In ihrer Komposition Masaot / Clocks without Hands für großes Orchester reflektiert Olga Neuwirth ausgehend von ihrer Familiengeschichte das Wesen von Zeit und das Verblassen von Erinnerung. Zu hören ist es bei MaerzMusik am 28. März im Konzerthaus Berlin mit dem Konzerthausorchester in einem Programm neben Stücken Ashley Fures und Justė Janulytės.

Die neue Multimedia Performance TIME TIME TIME von Jennifer Walshe und Timothy Morton, eine musikalische und philosophische Reflexion über die multiplen Schichten von Zeit, ist am 24. März im Haus der Berliner Festspiele zu erleben. Über das Schreiben von Texten sagt Walshe in VAN: »Text ist im Moment auch deshalb besonders wichtig für mich, weil es damit ein bisschen so ist wie mit dem Kanarienvogel im Untertagebau: ein Frühwarnsystem, das zeigt, wie Kultur sich verändert. Deswegen lese ich viel auf Twitter: weil ich wissen will, was die Leute gerade tun.«

The Long Now ist ein Ort der andauernden Gegenwart. Ein Raum, in dem sich die Zeit selbst entfalten und das Zeitgefühl sich verlieren kann. Mit einer Dauer von 30 Stunden lädt das Projekt Besucher*innen vom 30. auf den 31. März ein, sich von der getakteten Chronometrie der Gegenwart zu lösen und sich dieser Zeitblase hinzugeben. Zu hören ist unter sehr vielfältigem Anderem Mazen Kerbajs Walls Will Fall: The Trumpets Of Jericho für sehr großes Trompeten-Ensemble (UA der Neufassung). Lena Pelull hat für VAN mit dem Komponisten aus dem Libanon gesprochen (und mit seiner irischen Kollegin Karen Power).

»Ich kenne niemanden, der oder die das Stück hört und in einem emotionalen Mittelweg bleibt. Es kommt Ablehnung oder Zustimmung. Es werden politische Sehnsüchte oder Feindschaft gegenüber diesen Sehnsüchten geweckt«, sagt Pianist Igor Levit in VAN über Frederic Rzewskis The People United Will Never Be Defeated! Bei der Eröffnung von MaerzMusik am 22. März im Haus der Berliner Festspiele musiziert der Komponist selbst.