Als vor drei Jahren zum ersten Mal der Opus Klassik verliehen wurde, behaupteten böse Zungen, der Preis schließe in seiner Belanglosigkeit nahtlos an den Echo an und bei der Veranstaltung im Berliner Konzerthaus handele es sich um »eine Dauerwerbesendung mit aufwändiger Kunstsimulation«. Dem war freilich nicht so. Hätte man sich die glamouröse Veranstaltung unvoreingenommen angesehen, wären einem vielmehr die positiven Neuerungen aufgefallen, die seitdem Jahr für Jahr raffiniert weiterentwickelt wurden.

Es fing 2018 schon damit an, dass das Redesign des Musikpreises eine wahrhaft prachtvolle Trophäe und ein nicht minder wertiges Logo hervorbrachte. Nur vergangenheitsfixierte Skeptiker fühlten sich an dunkle Zeiten erinnert und erkannten nicht, dass die elegante Form an eine edel schimmernde Stimmgabel gemahnen sollte. Fernsehkenner dagegen durchschauten sofort die subtile Anspielung auf die Tradition guter Musik beim ZDF (Die Goldene Stimmgabel), während international bewanderte Connaisseure die Hommage an Frankreich goutierten (Diapason d’or). Eine berühmte Star-Sopranistin meinte: »Er schaut ja fast aus wie ein Engel, wie ein Schutzengel der Musik!«

Preisträger Daniel Hope (»Sonderpreis der Jury für besondere Leistungen«) • Foto © Markus Nass

Das neue Prunkstück stammt übrigens von demselben Designer, der auch schon dem Echo Namen und Trophäe kreiert hat. Dabei sollte der alte Preis »die vom Künstler ausgehenden Schwingungen« darstellen, die »als Wellen des Erfolges zurückkehren«, wurde am Ende aber vornehmlich zurückgegeben. Doch die neue Opus-Stimmgabel sieht nicht nur gut aus, sie klingt auch noch hervorragend. Um das zu garantieren, kam eine auf Messtechnik spezialisierte Firma ins Spiel, die den Klang anhand der Entwurfsdaten des Designers berechnete – sicher ist sicher.

Apropos sicher, auch bei der Besetzung der Jury wurde nichts dem Zufall überlassen. So wie der neue Träger der Preisverleihung, der Verein zur Förderung der Klassischen Musik e.V., von großen Playern der deutschen Klassikbranche gegründet wurde – darunter die drei Majors Deutsche Grammophon, Sony und Warner, dazu CLASS als Interessenverbund kleinerer Labels –, setzt sich auch die neunköpfige Jury vernünftigerweise entsprechend zusammen. Zu den Klassik-Plattenfirmen gesellen sich noch ein Klassik-Verlag, ein Klassik-Konzerthaus, das ZDF und zwei Freie aus dem Klassik-Journalismus. Das alles ist sehr sorgfältig komponiert, damit keine der preiswürdigen, »außerordentlichen Leistungen in der Klassik« übersehen werden. Der Gründungsvorstand erklärt: »Wir entwickelten ein Konzept für einen neuen Musikpreis, der noch breiter als in der Vergangenheit aufgestellt ist und die Branche in ihrer gesamten Vielfalt reflektiert.«

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Und in der Tat haben die Opus-Auszeichnungen der ersten Jahre den Proporz fair widergespiegelt: Alle Stakeholder wurden stets üppig berücksichtigt, so dass bei der Vielzahl der Preise kein unnötiger Streit aufkommen musste. Gut auch, dass einmal mehr das Luhmann’sche Diktum von der Selbstreferenzialität der Massenmedien bestätigt wird und die Fernsehtauglichkeit der für die Hauptgala ausgewählten Stars dank des ZDF-Vertreters gesichert ist, während die weniger quotenträchtigen Ausgezeichneten ihren großen Auftritt am offiziell gestreamten Vorabend haben dürfen. What a class act! Und nur neidische Nörgler würden sich wundern, warum beispielsweise als »Komponist*in des Jahres« zweimal hintereinander Hochkaräter aus just dem Verlag gekürt werden, der in der Jury vertreten ist. Vielmehr muss gelobt werden, dass die Verquickung von Jury und Branche hilft, in der immer unübersichtlicher zu werden drohenden Klassiklandschaft nicht den Überblick zu verlieren und dank der geballten Jury-Expertise neue Trends gleich richtig eingeordnet zu bekommen: Reduktion von Komplexität.

In diesem Sinne kann man dem Gründungsvorstand nur zustimmen: »Klassische Musik in Deutschland muss mit einem eigenen Preis gewürdigt werden.« So hieß es anlässlich der Gründung des Vereins zur Förderung der Klassischen Musik, auf dessen Webseite außerdem steht: »Das übergeordnete Ziel des Vereins ist es, Initiativen zu entwickeln, um der klassischen Musik eine stärkere Beachtung zu verschaffen. Durch die Tätigkeit des Vereins soll die klassische Musik übergreifend über unterschiedliche Generationen und Demographien emotional und wirkungsvoll in der Lebenswirklichkeit der Menschen verankert und der positive Wert der klassischen Musik als Bestandteil unserer Kultur herausgearbeitet werden.« Wer wollte dem widersprechen?

Verleihung des OPUS KLASSIK 2021 am 10.10.2021 im Konzerthaus Berlin • Foto © Mo Wüstenhagen

Während mürrische Miesmacher unermüdlich behaupten, die schlafmützige Klassik sei stets hinterher und stecke in alten Ritualen fest, muss man doch konzedieren, dass nicht nur bei den reaktionsschnellen Rückgaben der Echo-Preise wach und öffentlichkeitswirksam gehandelt wurde, sondern auch bei der zügigen Einrichtung des Nachfolgepreises. Gut, dass man hier nicht zögerlich und abwartend reagierte wie etwa beim Echo Jazz, aus dem erst dieses Jahr ein neuer Jazzpreis hervorging. Zum Glück konnte der Opus Klassik 2018 in Rekordzeit ganz am Puls der Gegenwart auf den Weg gebracht werden – und auf den alten Echo-Sendeplatz beim ZDF. Nur kleinliche Kritikaster wollten diese »besondere Leistung« nicht anerkennen und sprachen von »altem Wein in neuen Schläuchen«.

Nun erfreuen wir uns Jahr für Jahr an den TV-Sternstunden, welche das ZDF in der Regel an späten Sonntagabenden ausstrahlt. Hierfür können wir nicht dankbar genug sein, regen aber an, zukünftig nicht nur das etwas bescheiden anmutende Budget (laut ZDF-Webseite »zwischen rund 200.000 Euro und  900.000 Euro« pro Ausgabe) zu erhöhen, damit auch wirklich alle renommierten Klassik-Weltstars anwesend sein können. Wofür zahlen wir denn unsere Rundfunkbeiträge?

Zudem möchten wir das ZDF ermutigen, die Premium-Klassik-Gala doch bitte zur Primetime um 20:15 Uhr auszustrahlen, also auf dem Sendeplatz, auf dem sonst die Rosamunde Pilcher-Verfilmungen oder das Traumschiff laufen. Dann könnte auch unser Traum in Erfüllung gehen, dass endlich der ideale Moderator engagiert wird: Harald Schmidt. Die von ihm veredelten Bambi-Galas dürften seine Qualifikation ja genug unter Beweis gestellt haben. Außerdem kennt er die meisten Klassik-Stars noch aus seiner Show, und niemand kann Anne-Sophie Mutter so schön begleiten wie er. ¶

... studierte Informationswirtschaft, Volkswirtschaftslehre und Musikwissenschaft. Er ist als Musikmanager tätig und gründete das Unternehmen bastille musique, das die Bereiche Künstleragentur, Live-Produktion und Plattenfirma kombiniert.