Der Hauptstadtkulturfonds (HKF) ergänzt seit 1999 die Kulturförderung in Berlin und fördert aus Mitteln des Bundes »bedeutsame kulturelle und künstlerische Einzelprojekte und Veranstaltungen«, die in Berlin stattfinden. In diesem Jahr wurde im Hauptstadtfinanzierungsvertrag eine Aufstockung der Mittel vorgesehen, so dass nun eine Gesamtsumme von jährlich 15 Millionen Euro zur Verfügung steht.

Leider wurde versäumt, bei dieser Gelegenheit den für die kulturelle Vielfalt Berlins so wichtigen Fördertopf maßgeblich zu reformieren und auf zukünftige Anforderungen einzustellen. Vergangene Woche wurden die Förderergebnisse für das Jahr 2018 veröffentlicht und diese zeigen, wie dringlich in drei Bereichen Handlungsbedarf besteht: Kulturpolitisch nachvollziehbare und transparente Mittelvergabe – Abschaffung der Regelförderung – Klare Regelung zur Förderung von Projekten von institutionell geförderten Einrichtungen.

Betrachtet man die für 2017 und 2018 gestellten Anträge, fällt folgendes auf: Der größte Förderbedarf besteht wohl in der Darstellenden Kunst (45% der Anträge), gefolgt von spartenübergreifenden Projekten (16%) und Projekten der Musik (14%), hier wurden die meisten Anträge gestellt. Die Bereitschaft des HKF, die Anträge auch zur Förderung zu empfehlen, war in den Sparten Darstellende Kunst (40%), Bildende Kunst (19%) und bei übergreifenden Projekten (14%) am höchsten. Anteilig die meisten Projekte im Verhältnis zur Zahl der Anträge innerhalb der Sparte wurden in den Bereichen Literatur (44%), Film (40%) und Bildende Kunst (35%) zur Förderung vorgeschlagen.

Orientiert sich der HKF am Bedarf der Szene? Wenn ja, darf insbesondere im Bereich der Musik die Förderpraxis angepasst werden. Oder verfolgt der HKF gestalterische Ziele und möchte das kulturelle Angebot in Berlin aktiv verändern? Die Tatsache, dass der Jury ein hautamtlich bestellter »Kurator« voransteht, der laut Geschäftsordnung kulturpolitische Schwerpunkte setzen darf, und die wohlwollende Handhabe der Anträge im Bereich Literatur, Film und Bildende Kunst legen diese Vermutung nahe. Warum werden diese »kulturpolitischen Schwerpunkte« nicht offen kommuniziert und entsprechend deutlich und strategisch umgesetzt?

Klare Förderkriterien werden in der Ausschreibung nur wenige genannt: (inter-)nationale Ausstrahlung, aktueller Bezug, mindestens eine frühere öffentliche Förderung des Antragstellers und mindestens vier Aufführungen des Projektes in Berlin. Eindeutig messbar sind nur die beiden zuletzt genannten. Für den aktuellen Bezug reicht offensichtlich auch schon ein Jubiläum (»450 Jahre Claudio Monteverdi«). Und sobald ein (inter-)nationaler Partner involviert ist, wird offensichtlich eine weitreichende Strahlkraft unterstellt. Wichtigstes und für die Jury einzig bindendes Kriterium ist aber die »künstlerische Qualität« des geplanten Projektes. Aus eigener Erfahrung kenne ich die Herausforderung, künstlerische Prozesse in die Form eines erfolgreichen Antrags zu gießen – und dass es gleichzeitig machbar ist, einen förderwürdigen Antrag zu formulieren, auch wenn das Konzept zum Zeitpunkt der Antragstellung noch sehr rudimentär angelegt ist. Warum spielen nachvollziehbare und unabhängige Förderkriterien bei der Auswahl eine untergeordnete Rolle? Mit sauber formulierten Kriterien lassen sich kulturpolitische Schwerpunkte setzen, die Jury kann sich bei der Auswahl an Leitlinien orientieren und ihre Entscheidung nachvollziehbar rechtfertigen.

Unabhängig von der Jury kann der Kurator einer Regelförderung zustimmen, zuletzt geschehen für das Festival Tanz im August, das Internationale Literaturfestival Berlin, Sasha Waltz & Guests, Young Euro Classics und das Poesiefestival Berlin. So sind knapp 3 Millionen Euro gebunden, die nicht für Einzelprojekte bereitstehen. Warum werden hier nicht entsprechende Titel im Berliner Haushalt geschaffen, wenn die genannten Akteure für die (inter-)nationale Strahlkraft der Berliner Kulturszene stehen? Warum werden hier keine angemessenen Fördermodelle entwickelt bzw. zum Beispiel die Basisförderung entsprechend aufgestockt?

In der letzten Förderrunde gingen allein 310.000 Euro an Projekte, bei denen die Berliner Festspiele, eine aus Bundesmitteln geförderte Institution, als Antragssteller auftreten. Es ist begrüßenswert, dass Stockhausen beim Musikfest eine Rolle spielen soll – und MaerzMusik ist ein wichtiges Festival für zeitgenössische Musik in Berlin: Warum werden aber diese Programmreihen nicht in der Lage versetzt, Kernprojekte selbstständig zu realisieren? Warum müssen dafür weitere Bundesmittel aus einem freien Fördertopf blockiert werden?

Aber nicht nur das: Häuser wie die Berliner Festspiele, das Konzerthaus Berlin, das Hebbel am Ufer, die Opern und viele andere dürfen nicht nur über Programme, sondern ebenso über die Spielstätten bestimmen, die auch für die freie Szene wichtig sind; Sie entscheiden darüber, welche Projekte in Berlin zu sehen sind und welche nicht. Sie fungieren also auch als inhaltlicher Gatekeeper für das kulturelle Angebot in Berlin. Ob und wie Projekte der freien Szene in Berlin stattfinden, hängt also auch zu einem guten Teil vom guten Willen der Leitung der Institutionen ab.

Die Qualität der Kooperation durfte ich selbst in früheren Projekten als sehr unterschiedlich erleben: Mal wird erfolgreich auf Augenhöhe zusammengearbeitet, mal wird einem aber gnädigerweise für eine sehr begrenzte Zeit ein Raum überlassen, Personal und Werbung muss man selbst mitbringen und die Einnahmen aus Ticketverkäufen verbleiben beim Haus. Oft jedoch findet gar keine Kooperation mit der freien Szene statt, denkt man an Projekte wie das bereits erwähntes Monteverdi-Jubiläum beim Musikfest 2017 oder die 2012 von der Staatsoper im Kraftwerk aufgeführten Nono-Oper.

Warum wird nicht zur Bedingung gemacht, dass Institutionen nur Anträge beim HKF stellen dürfen, wenn sie mit der freien Szene kooperieren und angemessene Eigenleistungen einbringen? Warum werden Spielstätten wie das Radialsystem V oder die Sophiensaele nicht technisch und finanziell so ertüchtigt, dass nicht dafür auch noch Projektfördermittel verwendet werden müssen?

Die finanzielle Situation Berlins hat sich erfreulicherweise deutlich verbessert. Jetzt sind mutige Kulturpolitiker gefragt, die strategische, transparente und zukunftsfähige Förderinstrumente entwickeln. ¶