Am Sonntag, dem 11. Dezember 2022, spielt das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin unter der Dirigentin Elim Chan Gabriela Lena Franks Three Latin-American Dreams.

Geboren wurde Gabriela Lena Frank am 26. September 1972 im kalifornischen Berkeley – bekannt durch die geschichtsträchtige (und elitäre) University of California. Nach dem Besuch der Berkeley High School schrieb sich Frank an der Rice University (einer Privatuniversität in Houston, Texas) sowie an der University of Michigan in Ann Arbor ein. Früh fand sie offenbar zu ihrer Leidenschaft, dem Komponieren. Ihre Lehrer in diesem Fach waren unter anderem der Ex-Natalie-Boulanger-Schüler Leslie Bassett – ein ambitionierter Avantgardist (1923–2016) – sowie der einstige Milhaud-und-Messiaen-Student William Bolcom (*1938), der bis heute freundliche Ragtimes komponiert.

In einem Interview von August 2022 betont die erfolgreiche – mit Aufträgen und Preisen bedachte – Komponistin, ihr erster Lehrer, Dan Becker (*1960), sei für sie sehr entscheidend gewesen, da dieser ihr nicht nur die Liebe zur E-Musik Europas, sondern auch zur Musik aus nicht-westlichen Kulturen sowie populären Gefilden nahebrachte: »Diese Erfahrungen, in Kombination mit meiner ohnehin schon vorhandenen Neigung zur südamerikanischen Folklore, waren für meinen Weg wichtig, als es darum ging, mich an der Rice University für Komposition einzuschreiben.«

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Bald machte sich Frank auf, ihre Dissertation zu schreiben, um in den letzten Jahren der Arbeit daran ihre familiären Wurzeln in Peru – bedingt durch die entsprechende Herkunft ihrer Mutter – reisend zu erforschen. »Meine Musik machte dadurch eine Transformation durch – und so drückte ich den Start-Button auf dem Weg zu meiner eigenen ›Stimme‹.« (Der andere Teil ihrer Familie stammt aus China.)

Bis heute ist Gabriela Lena Frank auch als Pianistin aktiv, nimmt in dieser Funktion Alben auf und spielt Uraufführungen anderer Komponistinnen und Komponisten. Als Komponistin selbst war sie unter anderem »Composer in Residence« beim Philadelphia Orchestra. Sie lebt mit ihrem Ehemann Jeremy auf einer Farm im kalifornischen Boonville sowie zeitweise auch in der Nähe von San Francisco.


Gabriela Lena Frank (* 1972)
Sun Quilt für Chor (2016)

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Am 29. Oktober 2022 kam es zur Uraufführung von Franks erster Oper, ein Auftrag der Opernhäuser von San Diego und San Francisco: El último sueño de Frida y Diego (The Last Dream of Frida and Diego), eine veritable Frida-Kahlo-Oper also! Gabriela Lena Frank scheint menschliche Stimmen zu lieben.

So jedenfalls tönt uns ihr 2016 komponiertes Chorstück Sun Quilt entgegen. Kleine, aufsteigende »Mm«-Gesten eröffnen humorvoll-liebevoll – und durchaus dur-moll-tonal-orientiert – fragend das Werk. »Kleine Quilt-Stücke in Musik« – so könnte man vermuten. Denn das Werk entstand für ein Projekt, in dessen Rahmen sich fünf Komponistinnen von den Quilt-Schöpfungen der Künstlerin Kay McCarthy inspirieren lassen sollten. Dazu konnte sich jede Komponistin einen eigenen zu vertonenden Text aussuchen. Gabriela Lena Frank entschied sich für das Gedicht The Sunset von Laura Coates Reed (1857–1938). Es geht darin um die Sonne, die sich jede Nacht aufs Neue ins Bett legt, unter ihre schöne Steppdecke, die aus Gold gemacht ist. Große lange Streifen aus Gold und Rot, gesäumt von zartesten Tönen; vom Himmel zusammengesetzt, vom Tag gesteppt.

Die schöne Merkwürdigkeit dieser Dichtung spiegelt sich in der kreativen Merkwürdigkeit der Vertonung Franks wider. So erscheinen uns die »Mm«-Laute des Beginns vielleicht als ein Einwiegen in den Schlaf. Doch noch einmal sind wir ganz wach, betrachten die Schönheit der untergehenden Sonne – und singen ihren Farben ein warmes Lied. Berührend! ¶

... ist Konzertveranstalter, Moderator, Komponist und Pianist. Er gestaltet innovative Konzertformate, arbeitet als Musik-Satiriker, schreibt Stücke für Solist:innen und Ensembles und Texte für VAN, die Wiener Philharmoniker, die New York Philharmonics und die Bamberger Symphoniker. 2019 war er als Schauspieler an der Volksbühne zu erleben.